DiRT 3

Colin McRae DiRT war eine spieltechnische Offenbarung, DiRT 2 war ein grafischer Leckerbissen, aber spielerisch dünn. Nun steht der dritte Teil der Serie in den Regalen und Codemaster hat in diversen Ankündigungen versprochen, sich nach dem um absolute Coolness bemühten X-Games Brimborium in Teil 2 wieder dem klassischen Rallysport wie im ersten Teil zuzuwenden.

Man habe sich die Kritik der Fans zu Herzen genommen und diverse Änderungen vorgenommen, die DiRT 3 wieder zu seinen Wurzeln führt. Hehre Worte, so lasset diesen Taten folgen, möchte man Codemasters zurufen. Aber um es vorweg zu nehmen, die Rufe verhallen ungehört: Auch DiRT 3 kann meine Erwartungen als Rally-Fan nicht erfüllen.

Wer DiRT 3 und die Einzelspieler-Karriere nach der obligatorischen Namenseingabe und der üblichen Vorrede einer namenlosen Managerin das erste Mal startet, wird positiv vom endlich wieder aufgeräumten Menü überrascht sein. Den Wohnwagen und die ewigen hektischen Umblendungen des zweiten Teils haben die Entwickler komplett in den Müll geworfen. Es steht hier wieder ein mehr oder weniger klassisches Menü ohne zuviel Schnick-Schnack zur Verfügung. Pyramiden bieten pro Saison vier verschiedene Wettbewerbe an, die in meistens fünf verschiedene Events unterteilt sind. Ich starte also die erste Saison und lande im Wettbewerb Clubman Shield. Dieser erste Event stellt sich dann glücklicherweise auch gleich als Rally heraus. Doch meine Freude ist nur kurz, als ich die Streckenlängen der beiden Kurse sehe: Die erste Finnland-Etappe umfasst 3,2 Kilometer, die zweite sogar nur 2,9 Kilometer. Egal, den Peugot 207 als fahrbaren Untersatz gewählt und ab geht die wilde Fahrt … wenn da nicht Ladezeiten wären, die hart an der Schmerzgrenze liegen. Es dauert geschlagene 45 Sekunden bis ich an der Startlinie stehe und endlich Gas geben kann.

Aber jetzt entfaltet DiRT 3 endlich sein Potential! Brachialer Motorsound röhrt aus den Boxen, mein Copilot gibt klare Anweisungen und ich kann mich auf die nächste Kurve konzentrieren. Der Wagen beschleunigt brutal, slidet mit kurzem Einsatz der Handbremse durch die Kurven, jederzeit kurz vor dem Ausbrechen und ich spüre wechselnde Untergünde wie Asphalt oder Schotter. Die Steuerung per Joypad ist anfangs etwas zu direkt, es dauert einen Moment, bis man sich daran gewöhnt hat. So kann es gerade zu Beginn passieren, dass man einfach zu sehr am Pad “reißt”, wenn der Bolide zu schlingern beginnt und so statt gegenzulenken für einen Abflug in die unglaublich detaillierte Landschaft sorgt. Auch die Anweisungen des Beifahrers wollen befolgt werden. Wenn dieser ansagt: “Kuppe, Sprung, rechts halten”, dann sollte man sich auch tunlichst daran halten, denn gerade ein Rally Fahrzeug wird bei einem Sprung unglaublich leicht. Setzt der Wagen hier nicht sauber auf, hat man zu tun, ihn auf der Straße zu behalten. Und selbst wenn dies gelingt, gehen mit jedem verpatzten Manöver wertvolle Sekunden verloren, die dann in der Endabrechnung fehlen.  Aber die Freude über die gute, mehr arcadelastige Physik und den Detailreichtum der Umgebung ist nur von kurzer Dauer, denn nach weniger als 1:30 Minuten ist die erste Etappe auch schon beendet. Es folgen weitere 35 Sekunden Ladezeit bis zur nächsten Etappe, die wiederum keine eineinhalb Minuten dauert. Nachdem man sich dann seine Zeiten und Platzierungen angeschaut hat, wartet man erneut über 30 Sekunden, bis man sich wieder im Menü befindet und zum nächsten  Wettbewerb übergehen kann. Nun kann man mal hochrechnen, wieviel Ladezeit der effektiven Spielzeit gegenüber stehen. Wäre dies nur bei den Rally-Etappen so, könnte ich das wenn auch mit Zähneknirschen verschmerzen, aber diese Ladezeiten ziehen sich durch das komplette Spiel.

Und da sind wir eigentlich auch schon den nächsten Kritikpunkten. Man widmet sich zwar wieder mehr dem Rallysport, aber vier verschiedene Länder mit maximal fünf Etappen, die sich dann auch nur darin unterscheiden, dass man sie vorwärts, rückwärts, bei Nacht und bei Regen fährt, sind in meinen Augen ebenfalls dünn. Neben den überschaubaren Rally-Events in Finnland, Norwegen, Kenia und Michigan gibt es auch wieder die aus dem Vorgänger bekannten Landrush oder Trailblazer Wettbewerbe, in denen mit hochgezüchteten PS-Monstern von A nach B gehetzt wird. Aber auch diese finden auf den bekannten Rally-Strecken statt, so dass mir hier ebenfalls zu wenig Abwechslung geboten ist. Und apropos Abwechslung: Zu den hier genannten Strecken kommt noch der Schauplatz Monaco dazu … der aus der immer gleichen malerischen Hafen-Hintergrundkulisse besteht und nur einen einzigen Rundkurs und ein Gymkhana Areal bietet. Erst das das Spiel abschließende DC-Finale offenbart hier noch einen Head-to-Head-Kurs.

Nun nehmen wir noch das L.A. Colosseum, Aspen und Smelter hinzu und mehr Umfang wird es nicht! So scheucht man in Aspen oder Smelter Buggys oder Trucks über einen Rundkurs, fährt ein dem Race of Champions angelehntes Kopf-an-Kopf Rennen und borgt sich aus Racedriver Grid noch einen Drift-Event, fertig ist DiRT 3! Damit aber für mehr scheinbare Abwechslung gesorgt ist, verteilt man diese Kurse in die verschiedenen Events, rührt ein wenig um, gibt den Veranstaltungen einen fetzigen Namen wie X-Games und nennt das dann Karriere. Damit man auch weiß, dass man tatsächlich im Karriere-Modus spielt, engagiert man dann noch drei Sprecher, die vor oder nach einem Event Belangloses von sich geben.

Geteilter Meinung darf man auch beim neuen Gymkhana sein. Was zuerst nach rhythmischer Sportgymnastik klingt, entpuppt sich als beinharter Arcade-Modus, an dem sich vor allem weniger erfahrene Spieler die Zähne ausbeißen werden. Ken Block war schon vor etlichen Monaten in diversen Youtube-Videos zu bewundern und ich war damals überrascht, was man mit einem Rally-Fahrzeug so alles anstellen kann. Alleine die Drifts mit komplett quergestelltem Auto um Hindernisse sind eine wahre Augenweide. Aber das ist die Realität und mal nett anzuschauen, der Gymkhana-Modus in DiRT 3 konnte mich leider nur kurz motivieren. Im Spiel gibt es neben den Drifts noch Donuts, Spins und Sprünge, die den Namen eigentlich nicht verdienen. Bereits in der ersten Saison fährt man ein Tutorial, welches sich komplett mit dem Erlernen der verschiedenen Manöver befasst, später werden diese in verschiedene Events verpackt und sind dann Bestandteil der Karriere. Man hätte es beim Schrottplatz der Ludolfs … sorry, Batterfield belassen sollen, denn hier kann man sich nach Herzenslust stundenlang in diesen Disziplinen austoben. So aber ist man gezwungen, immer wieder um irgendwelche Aufsteller zu kreiseln, Drifts und Donuts zu vollführen und Styropor-Ballen umzufahren, um möglichst viele Punkte und damit eine gute Platzierung zu erreichen.

Bei aller Kritik hätte DiRT 3 der Vorzeigetitel werden können. Die Grafik ist wie oben bereits erwähnt eine wahre Augenweide, auch wenn sich jenseits der Strecke so gut wie nichts abspielt und alles leblos wirkt. Einzig in Finnland konnte ich zwei Zuschauer ausmachen, die quer über die Straße rannten, ansonsten sind jubelnde Fans so gut wie nirgends zu erblicken. Die Fahrzeugmodelle sind eine Pracht und gerade aus der Cockpit-Perspektive ist das Spiel fordernd. Nettes Gimmick nebenbei: In dieser Ansicht baumelt der eigene Avatar am Spiegel. Das Schadensmodell reicht vom defekten Scheinwerfer bis hin zu abgerissenen Türen oder Hauben. Allerdings sind diese mehr kosmetischer Natur. Entweder das Auto fährt volle Pulle oder stirbt mit Totalschaden. Selbst meinen Audi Quattro konnte ich nach einem mehrfachen Überschlag trotz in den Optionen eingestellten vollen Schaden ohne Türen und ziemlich zerbeult locker ins Ziel bringen. Nur in den allerseltensten Fällen verabschiedet sich die Antriebswelle oder der Kühler. Aber endlich hat man es geschafft, gelegentlich mal ein Regenrennen einzubauen und nun darf man bei einigen Kursen sogar über verschneite Pisten brettern.

Wer Autos sammelt, kommt bei DiRT 3 auf seine Kosten, aber anders als gewohnt. Denn neue Fahrzeuge gibt es regelmäßig nach gewonnenen Events oder Meisterschaften, mit deren Gewinn ihr auch euren Ruf erhöht. Auch wenn sich die Fahrphysik noch immer arcadelastig spielt, merkt man den Unterschied zwischen den einzelnen Fahrzeugen. Der Citroen C4 des amtierenden Weltmeisters Sebastian Loeb fährt sich eben ganz anders als ein 70er Jahre Opel Kadett, ein 80er Jahre Ford Sierra Cosworth, eine 90er Toyota Celica oder der Ford RS2000 aus der Gruppe B. Alle Autos sind liebevoll gestaltet und durch die verschiedenen Sponsoren und Lackierungen steht eine große Auswahl an verschiedenen Rally Boliden aus verschiedenen Jahrgängen zur Verfügung.

Die KI der Computer wurde im Gegensatz zu Teil 2 noch einmal modifiziert. Rasten euch dort bereits im Rennen in der ersten Kurve diverse Gegner in Heck oder Seite, nehmen sich diese diesmal eher zurück. Allerdings habe ich das subjektive Gefühl, das ihr bei einem Rückstand Zeiten aufholt, weil die KI nicht mehr alles gibt. Liegt ihr nach der ersten Rally Etappe abgeschlagen hinten, kann es euch passieren, dass ihr in weiteren Etappen locker Zeit gut macht. Auch in den wenigen Rundkursen fährt euch kein Gegner uneinholbar davon, im Gegenteil: Habt ihr die Pole erobert, gebt ihr diese Position in den seltensten Fällen wieder ab. Lobenswert ist der Lag-freie Online-Modus, in dem ihr euch mit bis zu sieben weiteren Spielern messen dürft, sowie ein ganz selten gewordener Split-Screen Modus. Neben der Karriere und den Mehrspieler-Partien gibt es noch Zeitfahren, in denen man an seiner Technik feilen kann. Und wer gar nicht klar kommt, nutzt die wieder einmal ins Spiel integrierte Rückspul-Funktion.

Fazit:
Ich hatte als einer der ganz wenigen schon bei DiRT 2 nicht ins Euphorie-Horn der breiten Masse geblasen, zu sehr wich das Spiel vom fantastischen ersten Teil ab und zu wenig Rally wurde geboten. Ich war froh lesen zu können, dass man sich mit DiRT 3 wieder der alten Tugenden besinnen wollte und hoffte auf ein Spektakel. Wenn man sich die Grafik und den Sound zu Gemüte führt, ist DiRT 3 auf alle Fälle eines der schönsten Rennspiele aller Zeiten. Und auch die Wettereffekte sind wirklich gut gelungen. Aber das ist mir einfach nicht genug für einen Vollpreis-Titel.

Ich bin kein Fan von Strecken-Recycling, aber man hätte sich bei Codemasters sehr gerne wieder an Colin McRae DiRT orientieren dürfen. Hier gab es ellenlange Rally-Etappen und die Adrenalin fördernden Hillclimbing Events. Ich bin Pikes Peak so oft gefahren, dass ich zwischenzeitlich sogar mal unter den Top 20 der Welt war. Mit DiRT 3 wird mir das nicht passieren, weil es erstens kein Hillclimbing gibt und zweitens einfach zu wenig Vielfalt geboten wird. Das Spiel wird im Regal verschwinden. Und den Gymkhana Modus brauche ich in einem eventuellen nächsten Teil auch nicht mehr, es sei denn, er wird als Beigabe ohne Einfluss auf die Karriere integriert.

Vielleicht sollte man hier statt Ken Block mal wieder einen echten Rally Fahrer aus der WRC oder IRC unter Vertrag nehmen, denn seit dem Tod von Colin McRae geht die Serie einen Weg, den sie meiner Meinung nach nicht verdient hat. Ich krame in der Zwischenzeit mal wieder einen der WRC-Titel für die Playstation 2 aus dem Regal und werde wieder mit dem ersten DiRT Pikes Peak entern.