Früher war alles besser … ja ich weiß, mit diesen Worten habe ich meinen Rückblick 2010 auch schon gestartet, aber Hand auf`s Herz, was hat sich eigentlich 2011 wirklich geändert? Die Spielebranche explodiert und verzeichnet weiterhin Gewinnsteigerungen, die einem Normalverdiener das Wasser in die Augen treibt.
Einerseits betrachte ich diese Entwicklung positiv, da uns durch viele verschiedene Publisher und den damit verbundenen Neuerscheinungen unser Hobby noch lange erhalten bleibt. Weiterhin bietet eine große Branche Arbeitsplätze in den verschiedensten Positionen, angefangen beim Programmierer bis hin zum Verkäufer des Elektronik-Fachmarktes profitieren etliche Menschen vom finanziellen Erfolg des Videospiels.
Andererseits hat nur Erfolg, was Massenmarkt tauglich an den Spieler gebracht wird. So zerbrechen sich Marktanalysten und Marketingabteilungen den Kopf, welches Genre beim Spieler ankommt und somit bei Veröffentlichung eines entsprechenden Titels kein finanzielles Risiko darstellt. Betrachtet man diese Marktananalysen allerdings einmal genauer, wird man feststellen, dass der Spieler in seinen Ansprüchen einem Videospiel gegenüber scheinbar dem eines Meerschweinchens in der Käfighaltung in nichts nachsteht. Wie sonst ist es zu erklären, dass Titel wie Battlefield 3, Modern Warfare 3 und Gears of War 3 schon am ersten Wochenende nach ihrem Release sämtliche Verkaufsrekorde brechen?
Selbstverständlich gibt es den sprichwörtlichen Zufallstreffer, wie es die Angy Birds beweisen. Da sitzt jemand in der Küche seiner Mami und programmiert unverhofft einen der meistverkauften Titel der Welt. Und selbst mit den wenigen verdienten Cents pro Spiel ist dieser Programmierer innerhalb weniger Monate Millionär. Das ist und bleibt aber die Ausnahme. Die Regel ist, wie oben erwähnt, eine andere, auch wenn dem mobilen Spielen Dank iPhone, iPad und Android-Smartphones immer mehr Bedeutung zukommt. Hier geben sich 79 Cent eben einfach mal schneller aus, als 59,-Euro für einen Titel, den ich mir mit Verpackung und gedruckter Anleitung kaufe.
Aber genau hier sehe ich die Gefahr für mein Hobby. Noch bekomme ich (fast) alles beim Dealer um die Ecke, aber immer mehr Publisher gehen zum Download-Content über. Ja, das spart Materialkosten, schließt den Zwischenhandel aus und schont die Umwelt, aber wer garantiert mir, dass ich den per Download gekauften Titel auch noch 3 Jahre später nach einem Festplatten-Crash erneut herunterladen kann? EA geht doch hier schon jetzt mit schlechtem Beispiel voran und schaltet Server bereits nach wenigen Monaten ab, obwohl ich zum Titel auch einen funktionierenden Online-Modus mit eingekauft habe. Über separate Online-Codes, die einen Weiterverkauf erworbener Titel fast unmöglich machen, es sei denn, man erwirbt diesen Code für 10,-Euro erneut, sowie dem wochenlang durchgekauten Thema des Datenschutzes und der Online-Registrierung bei EA möchte ich hier nichts weiter schreiben. Diese Thematik wurde hinlänglich öffentlich durchgekaut.
Und apropos Download und Extra-Content. Hat sich eigentlich mal jemand Gedanken darüber gemacht, ob sich Microsoft inzwischen mit den Gewinnen aus virtuellen Klamotten für virtuelle Avatar-Barbie-Püppchen im Büro Kippen anzünden muss, weil der hausinterne Geldspeicher keinen Platz mehr für die überschüssige Kohle bietet? Was bewegt einen Videospieler eigentlich, echtes Geld für einen digitalen Schlüpfer auszugeben oder seine sauer verdiente Kohle in eine sogenannte Special Edition zu stecken, die irgendeinen Download-Content bietet, der wahrscheinlich als Abfallprodukt nicht mehr auf die DVD gepasst hat? Das Thema ließe sich mit dem Recycling von sogenannten Retro-Titeln trefflich weiter diskutieren, denn warum gibt man Geld für einen Arcade-Titel aus, der sich als Original im Regal besser macht und sich so auch besser spielt? Das Waterloo schlechthin ist hier dieses jahr eindeutig Daytona USA, der ehemalige Top-Titel des Sega Saturn.
Egal, was rege ich mich eigentlich auf? Solange Firmen mit (unnötigen) virtuellen Inhalten (zuviel) reales Geld verdienen, kann es dem Deutschen an sich nur gut gehen. Auch das letzte XBOX 360 Update hat mir wieder gezeigt, dass hier ganz offensichtlich noch viel mehr zu holen ist. Wie sonst ist es zu erklären, dass Microsoft, die sich jahrelang über die Multimediaangebote der Playstation 3 lustig gemacht haben, inzwischen auf den gleichen Zug aufgesprungen sind und jetzt tatsächlich SKY Go anbieten? Bekomme ich mit einem weiteren Update dann bitte auch die Möglichkeit, mir eine Pizza zu bestellen und darf ich mir als USK 18 Inhalt demnächst auch eine Naomi, Mandy oder Natascha ordern, damit mein Spieleabend weder hungrig, noch einsam verläuft? Sollte diese Idee übrigens aufgegriffen werden, melde ich hiermit schon heute offiziell das Copyright darauf an! Wäre ja nicht das erste Mal, dass ein gewisses Unternehmen eine Idee ungestraft weiter verarbeitet.
Es lässt sich also trefflich darüber philosophieren, was uns die Konsolenhersteller und Videospiel-Publisher im nächsten Jahr an wiederaufbereiteter Software und sinnfreien Inhalten so alles anbieten. Fakt wird sein, dass die Branche weiterhin Gewinne verbuchen wird, dass der Spieler weiterhin jede Fortsetzung eines halbwegs gut gehypten Titels kaufen wird und das der Online-Thematik mit virtuellen Downloadangeboten immer mehr Bedeutung zukommen wird. Das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht in Sicht und mir bleibt nur zu hoffen, dass Titel wie Rayman Origins weiterhin in die Phalanx der ewig gleichen Ego-Shooter einbrechen werden, um ein wenig Abwechslung in den inzwischen so öden Videospiel Alltag zu bringen.
Selbstverständlich kann ich es auch dieses Mal wieder nicht unterlassen, euch mit meinen persönlichen Lieblingstiteln des Jahres zu langweilen.
Rayman Origins ist für mich der Überraschungs- und Toptitel 2011. Das erste Mal durfte ich Rayman auf der Gamescom bei Ubsisoft hinter verschlossenen Türen anspielen, seitdem habe ich mich auf das Spiel gefreut, wie schon lange auf keinen Titel mehr. Michel Ancel beweist, dass man auch mit einem 10-Mann-Team, von denen einige überdies auch keinen Bezug zum Videospiel hatten, ein sensationelles Spiel auf die Beine stellen kann, welches die Grenzen zwischen Spiel, Comic und Kunst verschmelzen lässt. Bemerkenswert ist hier der perfekte Koop-Modus, der aus einem Videospiel ein gemeinsames Erlebnis vor dem heimischen Bildschirm macht. Also unbedingt mindestens mal Probe spielen!!!
Aus den klassischen Racing-Titeln ragt dieses Jahr eigentlich nichts wirklich heraus. Mut zur Lücke bewies aber Ubisoft mit Driver San Francisco, das neben den bekannten Rennen und einer riesigen Open World auch die komplett ungewöhnliche Geschichte bot. John Tanner ist zurück, fällt ins Koma und erledigt das Verbrechen vom Bett aus. Mit dem sogenannten Shiften ist es nämlich möglich, jedes Auto bzw. dessen Fahrer zu übernehmen und so für Recht und Ordnung oder aber absolutes Chaos zu sorgen. In einigen Teilen an „Die Straßen von San Francisco“ angelehnt, bietet das Spiel Rennaction vom Feinsten bei reichlich verschiedenen Missionen.
Der blaugewordene Videospiel-Kult ist Sonic Generations. Nach Jahren mehr oder weniger hilf- und planlos programmierter Titel rund um das Sega-Maskottchen, raffte sich Takashi Iisuka auf, um endlich wieder einen angemessenen Titel zu programmieren. So wurden die besten Level aus 20 Jahren Videospiel-Story rund um Sonic genommen, in 2D und 3D neu programmiert und zu einem Geburtstagstitel zusammengesetzt, der dem Igel endlich wieder gerecht wird. Bis auf End- und Zwischengegner, bei denen man im ersten Moment nicht weiß, worum es eigentlich geht, weiß man dafür in allen anderen Leveln endlich wieder, dass das Sonic sein muss. Und die perfekte Special Edition ist das ganz dicke Sahnehäubchen auf dem Titel.
Zu den Flops des Jahres gehören für mich in erster Linie zwei Titel, denen eine riesige Kampagne vorausging und die sich im Nachhinein als heiße Luft entpuppten. Flop Nummer 1 ist Forza Motorsport 4. Der Titel war nichts außer ein minimales Update zu Teil 3, ganze zwei neue Strecken und eine Kinect-Unterstützung, die kein Mensch wirklich benötigt. Der andere Reinfall war Battlefield 3. Als der gamescom Gewinner 2011 und Modern Warfare Killer angekündigt, kam letzten Endes nur Ego-Shooter Standardkost mit mittelmäßiger Handlung zustande. Wer so auf die Pauke haut, sollte am Ende mehr zu bieten haben. Wer ist eigentlich für die Preisvergabe auf solch einer Messe verantwortlich? Spielen diese fach(in)kompetenten Menschen die Titel auch einmal an oder war das Buffett hier und da reichhaltiger? Aber dazu vielleicht mehr im nächsten Rückblick …