Die hauseigene EA-Rennserie Need for Speed hat eine lange Tradition. So war EA eines der Unternehmen, welches das vom ehemaligen EA Chef Trip Hawkins ins Leben gerufene 3DO bereits 1994 mit dem ersten Teil einer langen Serie unterstützte. Waren die ersten Teile mit Rennen auf öffentlichen Straßen, Verfolgung durch die Polizei, einer völlig neuen Cockpit Perspektive und Tuning-Möglichkeiten ohne Ende noch etwas Besonderes, erlebte die Serie im letzten Jahr mit Need for Speed Undercover ihren absoluten Tiefpunkt. Zeit also, etwas Neues zu versuchen.
Und was EA in diesem Jahr mit Need for Speed Shift abliefert, hat mit den Vorgängern zum Glück nur noch den Namen gemein. Die Entwickler verpflanzen das neue Need for Speed einfach von der Straße auf die Rennstrecke und was da am Ende rumkommt, ist schon mehr als nur eine positive Überraschung: Reichlich edle Karossen von BWM über Porsche bis hin zur Dodge Viper auf erfundenen Kursen wie London oder Tokio, bis hin zu Original-Kursen wie dem Nürburgring oder Spa sorgen für Rennspiel-Akrobatik vom Feinsten.
Gibt es im Spiel das Quick-Race und den Multiplayer-Modus, geht es aber in der Hauptsache um den Karriere-Modus. Und im Gegensatz zu inzwischen zu vielen anderen Spielen dieser Gattung kommt dieser ohne jeglichen Schnick-Schnack aus. Klare Ansagen eines unbekannten Teamchefs ohne Unterbrechungen durch überflüssige Videos oder nervige Story-Elemente setzen den Spieler zu Beginn der Karriere sofort in einen 3er BMW, um eine erste Testrunde zu drehen. Diese Runde dient aber einzig zum Erkunden der Fähigkeiten des Spielers. Am Ende der Testrunde schlägt das Spiel Einstellungen zu Bremsassistenten oder Traktionskontrolle vor, die aber selbstverständlich nachträglich noch angepasst werden können. Nach dieser Einführungsrunde stellt sich aber auch das erste kleinere Problem dar: Die Grundeinstellung der Lenkung ist viel zu träge, so dass der geübte Spieler in den Optionen die Lenkempfindlichkeit unbedingt auf 100% setzen sollte, da ansonsten die Steuerung erst auf den zweiten oder dritten Andruck auf den Analog-Stick reagiert.
Zu Beginn der Karriere erhält der Spieler ein wenig Startkapital und kauft damit sein erstes Auto. Mit den ersten Rennen der Stufe 1 verdient sich der Shift-Gamer die ersten Punkte, Sterne und weiteres Kapital, welches in Upgrades oder weitere Fahrzeuge investiert werden kann. Mit dem Erwerb von Sternen schalten sich weitere Stufen frei, um letztendlich die NFS-World-Tour zu erreichen und zu gewinnen. Die Sterne erhält man mit dem Erreichen von Platzierungen oder im Rennen zu lösenden Aufgaben. So werden das fahrerische Können wie Halten der Ideal-Linie, sauberes Durchfahren von Kurven oder kollisionsfreie Überholmanöver bewertet. Leider kann dann Need for Speed seine Arcade-Wurzeln aber doch nicht ganz verbergen, denn auf der anderen Seite werden aggressive Manöver wie das Drehen von Gegnern, Blocken oder Kontakt beim Überholen ebenfalls mit Sternen belohnt. Egal ob man nun sauber oder aggressiv fährt, beide Fahrweisen werden zusätzlich mit Punkten belohnt, die den eigenen Fahrerlevel anheben. Und mit dem Erreichen eines neuen Levels wird der Spieler zu besonderen Events eingeladen. So gibt es Zeitrennen oder Marken-Cups, die ebenfalls mit Punkten und Sternen belohnt werden.
Die Präsentation von Need for Speed Shift ist gewaltig. Neben der klassischen Ansicht „von hinten“, gibt es diejenige über der Motorhaube und eine fantastische Cockpit-Perspektive. Gerade bei den beiden letztgenannten kommt ein dermaßen brutales Geschwindigkeitsgefühl rüber, welches auf Hochgeschwindigkeitsgeraden sogar zu einer Art Tunnelblick führt, bei dem die Bildschirmränder verschwommen dargestellt werden. Und auch Unfälle oder Einschläge in Begrenzungen werden bei Shift zelebriert: Bei einem solchen Einschlag wird das Bild schwarz-weiß und unscharf und man hört das schwere Atmen des Fahrers. Dieser Zustand hält dann wenige Sekunden an, bevor es im Normalzustand weitergeht. Dazu kommen herrliche Spiegeleffekte auf Karosserieteilen und Blendeffekte auf der Windschutzscheibe durch die tief stehende Sonne, ein detailliertes Schadensmodell und brüllender Motorsound. Neben klassischen Rennen gibt es Zeit- und Driftrennen, Ausscheidungsrennen, bei denen der jeweils Letzte ausscheidet und diverse Einladungs-Events mit verschiedenen Aufgaben. Es wird also reichlich Inhalt und vor allem Spielspaß für den Kaufpreis von 60€ geboten.
Need for Speed Shift packt den Spieler vom ersten Moment am Kragen, zerrt ihn ins Auto, brüllt ihn an, endlich loszulegen und Rennen zu fahren. Auch wenn das Spiel nicht an den Realismus eines Forza Motorsport oder Gran Turismo heranreicht und dies auch nicht wirklich möchte, so ist es doch eine mehr als gelungene Alternative für Autofans. Zahlreiche Autos und Strecken, eine motivierende Karriere und eine an Perfektion grenzende Präsentation zeigen, dass der Weg, den Need for Speed Shift eingeschlagen hat, der richtige ist. Fans der alten Teile finden zahlreiche Tuning-Elemente wieder, neue Fans wie mich freut die Abkehr von ausgetretenen Wegen. Leider trüben zwei kleine Bugs den Spielspaß ein wenig: So kann es passieren, dass beim fliegenden Start zu einem Zeitrennen der Bildschirm schwarz bleibt und beim ersten von drei Quickrace Driftrennen gibt es leider keine Motorgeräusche. Fans greifen trotzdem zu.