Test Drive Unlimited 2

Atari und der Entwickler Eden stellten 2006 die Rennspielwelt auf den Kopf. Statt nur auf Rennstrecken oder abgesteckten Kursen vom Start zum Ziel zu rasen, eröffnete sich mit der frei befahrbaren Welt der Insel Oahu auf Hawaii eine vollkommen neue Welt. Es machte einen höllischen Spaß, einfach nur über die Insel zu cruisen und je nach Lust und Laune mal ein Rennen zu fahren oder Passanten von A nach B zu kutschieren.

Es wurde sogar ein eigener Begriff dafür definiert: M.O.O.R – Massively Open Online Racing. Jetzt legt Atari nach und bringt mit Test Drive Unlimited 2 den Nachfolger mit noch mehr frei befahrbaren Kilometern auf die Konsolen und den PC. Ich habe hier die XBOX 360 Version getestet … und bin vom Glauben abgefallen.

Wer TDU 2 startet, glaubt sich einem Deja Vù ausgesetzt, denn der Stand der Technik scheint im Jahr 2006 hängen geblieben zu sein. Alles beginnt mit einer Party in einer Villa mit Pool, die für die meisten von uns ein Traum bleiben wird. Und genau mit diesem beginnt das Spiel. Die Schönen und Reichen vergnügen sich hüftsteif tanzend am Pool, während uns unsere Freundin zum Geburtstag mit einem Ferrari California beglückt. Also nichts wie rein in den Boliden und die ersten Meter gefressen, dem Sonnenuntergang entgegen. Doch plopp, schnell ist ausgeträumt. Denn in Wahrheit sind wir nicht der Freund einer scheinbar Reichen und von den Gesichts-Texturen nicht ganz so Schönen, wir sind nur der Parkplatzwächter, der die Karren ihren wartenden Besitzern zuführt. Und leider sind wir nun obendrein bei einem Nickerchen erwischt worden, welches wir in eben diesem Ferrari gehalten haben. Doch statt uns zu feuern bekommen wir die Chance, unseren Traum doch noch wahr zu machen und ein angesagter Rennfahrer zu werden. Dafür kutschieren wir die dauernörgelnde Lady auf Tempo in ein Studio zu einer Filmaufnahme und erfahren dabei, dass wir der neue Herausforderer für den Solar Crown sind, der Rennserie auf Ibiza … welch Überraschung.

Da Parkplatzwächter über ein ungeahntes Vermögen verfügen, kaufen wir uns von unserem sauer verdienten Trinkgeld den ersten fahrbaren Untersatz. Wir haben die Klassiker-Wahl zwischen einem Ford Mustang, einem Lotus oder einem Alfa Romeo. Nach einer 2minütigen Probefahrt müssen wir uns dann entscheiden. Ich nehme den Lotus und freue mich auf die ersten Meter, als mich die erste Neuerung einholt, denn um zum Klassiker-Rennen zugelassen zu werden, muss ich erst einmal eine Lizenz erwerben … Gran Turismo lässt grüßen. Hier stehen sieben verschiedene Prüfungen wie bremsen auf den Punkt, Kurven- oder Slalomfahrten auf dem Programm, die allesamt wenig herausfordernd sind. Aber hurra, schnell ist die erste Lizenz geschafft und ich darf mich zum Klassiker-Cup bei der nächsten überheblichen Dame anmelden, die sich nebenbei für unbesiegbar hält. Also den Lotus gesattelt und per GPS entspannt zur ersten Serie am anderen Ende der Insel gefahren. Allerdings setzt diese Entspannung in dem Moment aus, in dem euch von einer Sprecherin einiges zum Spiel erklärt wird. Wer sich noch mit Schallplatten auskennt (große schwarze Scheiben, neudeutsch auch als Vinyl bezeichnet), hat im ersten Moment das Gefühl hier eine LP auf 45-Single-Umdrehungen zu hören. Das letzte Mal habe ich einen solchen Effekt auf dem DSi meiner Tochter gehört, als diese mit Musik experimentiert hat. Diese unglaublich schlechte Syncronisation zieht sich übrigens wie ein roter Faden durch das ganze Spiel, ganz abgesehen von wenig synchronen Lippenbewegungen der Figuren.

Die Serien bestehen meist aus sechs mehr oder wenigen unterschiedlichen einzelnen Events. Neben dem klassischen Rundenrennen, Ausscheidungsrennen oder fahre Checkpoints von A nach B, stehen hier auch ungewöhnliche Events wie Radarfalle oder Tempo auf dem Programm. Hier müssen beispielsweise Radarfallen mit höchster Geschwindigkeit passiert werden oder Punkte durch möglichst dauerhaft hohes Tempo gesammelt werden, wobei es hier keine Vorgabe gibt, wie die Strecken zu passieren sind. Das klingt bis zu dem Moment spannend, in dem eine Computer-KI von der anderen Seite frontal durch die Radarfalle auf euch zurast …

Aber dies ist nicht die einzige Ungereimtheit, denn schon im ersten Rennen über 3 Runden offenbarte sich der erste grobe Fehler: Mit über 8 Sekunden Vorsprung in der letzten Runde in Führung liegend, rutsche ich in einer Kurve von der Piste und berühre mit dem Heck eine Werbetafel. In keinem anderen Rennspiel der Welt stellt dies ein Problem dar, Test Drive Unlimited 2 ist jetzt jedoch der Meinung, dass ich seit dem Rutscher in die falsche Richtung fahre. Etwas irritiert bringe ich diese letzte Runde als vermeintlich Erster zu Ende. Aber Pustekuchen, denn statt Siegerehrung, Ruhm und Champagner ist das Rennen nicht zu Ende, obwohl alle Runden absolviert sind. Stattdessen zeigt mir die Zeitanzeige einen Rückstand von nun fast 2 ½ Minuten an. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als von vorne zu beginnen.

Aber auch weitere Rennen offenbaren mehr oder weniger unverzeihliche Fehler. So ist ein durchsichtiges Geisterauto, durch dessen Karosserie der Fahrer schimmert ja noch als optischer Schönheitsfehler zu verschmerzen. Nicht akzeptabel sind jedoch vorauspreschende Gegner, obwohl der Countdown noch läuft oder ein abgelaufener Countdown, bei dem euer Auto wie festgenagelt bis zu drei Sekunden auf der Startlinie verbleibt, während alle anderen schon davon rasen. Allerdings sind die anfänglichen Rennen so simpel und wenig fordernd, dass ich mit diesen Aussetzern leben konnte, weil ich trotzdem locker den ersten Platz belegen konnte. Dies verkehrt sich bei den fortgeschrittenen Rennen aber massiv ins Gegenteil. Hier scheint die KI teilweise unbesiegbar und Frust macht sich breit. Ausgewogenheit sieht definitiv anders aus und den Schwierigkeitsgrad kann man nicht beeinflussen. Weiterhin scheinen die Entwickler Heinzelmännchen ins Spiel integriert zu haben, denn umgefahrene Verkehrsschilder stehen in der darauffolgenden Runde wie von Geisterhand wieder an ihrem Platz.

Entscheidend für ein Rennspiel ist aber noch immer die Fahrphysik, mit der solch ein Spiel steht oder fällt. Nun erhebt TDU 2 ganz sicher nicht den Anspruch an höchste Realitätsweihen, aber 3 einstellbare Stufen, von denen die letzte unverständlicherweise „ausgezeichnet“ heißt, sind auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Wenn man das Spiel unter Arcade-Funracer verbucht, kann man mit einer weniger überzeugenden Physik leben. Aber selbst das leider beerdigte PGR hatte hier mehr auf dem Kasten. Ich kann es nicht verstehen, dass mein Golf GTI bei voller Fahrt über eine Bodenwelle in einer langgezogenen Linkskurve (!) auf der Autobahn statt von Fliehkräften nach außen, also nach rechts getragen zu werden, stattdessen mit Höchstgeschwindigkeit links in die Leitplanke prescht? Hier fehlt mir der Ansatzpunkt, um Fahrfehler zu korrigieren und irgendwo gegenlenken zu können. Na gut, auf der Hülle steht auch nicht The Real Driving Simulator, aber trotzdem bleibt mir dieses Fahrverhalten ein Rätsel.

Dabei bietet Test Drive Unlimited 2 Abwechslungen wie kaum ein anderes Rennspiel, wobei die Rennen aufgrund der frei zu erkundenden Inseln auch in den Hintergrund treten. So geht es in erster Linie darum, sich von einem Nobody zu einem der Insel-bekannten VIP`s zu entwickeln. Sind die ersten Taler verdient, kauft ihr euch natürlich neue Autos, um auch am neu ins Spiel integrierten Offroad-Modus teilnehmen zu können. Leider ist aber euer Platz in der Garage beschränkt, so dass ihr euch schon bald nach den ersten Immobilien mit mehr Stellplätzen umschauen müsst. Und da man mit seinem Hemd als ehemaliger Parkplatz-Wächter nicht wirklich weiter kommt, dürft ihr euch an fast jeder belebten Ecke im Spiel neu einkleiden oder den Friseur aufsuchen, um euer Outfit anzupassen. Wem das noch immer nicht reicht, begibt sich bei einem Schönheitschirurgen unter das Messer. Eine weitere Kleinigkeit, die mich persönlich in TDU 2 stört, ist der wenig angepasste Realismus. Nun war ich noch nie bei einem angesagten Coiffeur wie Udo Walz, aber wenn die neuen Alus für meinen Golf GTI 750,-$ kosten, kommt mir der Preis für eine Rasur mit 500,-$ doch ein wenig überzogen vor. Aber durch verschiedene Jobs, wie das Chauffieren von Inselbewohnern von A nach B, Aufträge von Fotografen, die schönsten Flecken Erde zu fotografieren oder die Überführung von Fahrzeugen ohne größere Schäden erhaltet ihr alle Nase lang Geld.

Ein Highlight, um all diese Aufträge im Überblick zu behalten, ist eine zoombare Inselkarte. Hier könnt ihr zwischen Rennen, Aufträgen oder Orten zum Avatar-Design durchschalten und den Zielpunkt im GPS eingeben. Dieses führt euch dann sicher zum gewünschten Ziel. Seid ihr schon einmal an diesem Ort gewesen, könnt ihr direkt dorthin springen, d.h. das Spiel setzt euch ab, ohne dass ihr kilometerweit fahren müsst. Seid ihr allerdings unterwegs und erkundet die Insel im fahrbaren Untersatz, gehen euch die Personen, denen ihr bereits begegnet seid, alle paar Sekunden mit einem Anruf auf den Zünder. So sollt ihr euch zum nächsten Rennen begeben, euer Outfit ist veränderungsbedürftig oder ein Fotograf bietet euch einen Job an. Lehnt ihr ab, hindert das die Nervensägen aber nicht daran, sich innerhalb der nächsten Minuten erneut zu melden und euch weiter zuzutexten.

Atari legt gesteigerten Wert auf die Aussage, dass Test Drive Unlimited 2 auf konsequentes Onlinespiel ausgelegt ist und das der Single-Player Modus nur schmückendes Beiwerk ist. Klingt spannend, einem Club beizutreten und weitere Herausforderungen in der Gruppe zu fahren. Und dabei bleibt es leider auch, denn bis auf gelegentliche andere Spieler, die ihr per Lichthupe zu einem Duell herausfordern könnt, benötigt der Online-Modus schon mehr als eine Lichthupe, denn hier herrscht absolute Finsternis. Die Server sind seit dem Release des Spiels dauerhaft offline, so dass ich hier zum Online-Erlebnis einfach nichts schreiben kann. Angeblich arbeitet man bei Atari fieberhaft an einem Patch, um alle hier aufgeführten Fehler zu beheben, aber es will mir nicht in den Kopf, dass all diese Probleme vor Verkaufsstart unentdeckt gewesen sein sollen. Warum also verschiebt man den Release nicht um zwei Wochen, statt nach Alone in the Dark wieder einmal seine Fans zu verprellen? So bleibt nichts weiter als die Hoffnung auf schnelle Nachbesserung.

Fazit:

Test Drive Unlimited 2 erfüllt alle Voraussetzungen für das erneut ganz andere Rennspiel-Erlebnis … und dabei bleibt es leider, denn Mühe allein genügt nicht, sagte schon die selige Frau Sommer aus der Kaffee-Werbung. Als Spieler ist man ergebnisorientiert und erwartet für sein Vollpreis-Geld auch einen Vollpreis-Titel und keine Bananen-Software. Daran ändert auch die teilweise wirklich ansehnliche Grafik inklusive der dynamischen Tag- und Nachtwechsel nichts. Ein Schadensmodell ist so gut wie nicht vorhanden, die Verfolgungsrennen mit den Cops sind unspielbar und ein funktionierender Online-Modus ist nach fast 2 Wochen in weiter Ferne.

Beschränkt man sich auf den Single-Player erhält man einen mehr als durchschnittlichen Titel mit massig Optionen und Technik von vor 5 Jahren. Wer über die vielen momentan noch vorhandenen Fehler hinwegsehen kann und Spaß daran hat, mit einigen der teuersten Boliden der Welt entspannt bei lauter Musik über einen schönen Flecken Erde zu cruisen, ist gut bedient … vorausgesetzt, das Radio fällt mal nicht aus. Ich bin bei diesem Titel zwischen Frust und Freude hin- und hergerissen, wie schon lange bei keinem Rennspiel mehr. Einerseits habe ich echten Spaß daran, die ganze Insel zu erkunden, andererseits nerven mich eine nicht ausgewogene KI und Kleinigkeiten wie sich selbst wieder aufstellende Verkehrsschilder maßlos. Der Vorgänger war klasse, versaute mir aber damals schon mit einem Bug im Clubrennen die letzten 10GS an der 1000, in TDU 2 bin ich im Moment von einem Durchspielen weit entfernt. Ich warte also weiterhin ab, ob und wann hier der Atari-Mörder-Patch alle Fehler behebt und fahre eben bis dahin ein wenig spazieren.