30 Seconds to Mars live in Berlin – Jesus ist auferstanden

Es gibt Dinge, die gehören sich in einem Live-Konzert nicht. Das erste ist die vollkommene Abwesenheit einer Vorband, die stattdessen durch einen mittelprächtigen DJ ersetzt wird, der sich selbst feiern muss, weil ihm die Halle die nötige Aufmerksamkeit versagt. Zum Repertoire gehörten sogar zwei Einspielungen des neuen 30 Seconds to Mars Albums AMERICA, die eigentlich dem Live-Auftritt der Band vorbehalten sein sollten. Das andere sind tatsächlich zwei Werbeeinblendungen auf den gewaltigen Monitoren der Berliner Mercedes-Benz-Arena in Dauerschleife vor dem Haupt-Act.

Dennoch kann sich Jared Leto das inzwischen offenbar erlauben. Als endlich das Licht erlischt, ertönen mehrere Minuten Bassdröhnen durch die dunkle Halle. Hilfloses Klatschen und vereinzelte Rufe machen sich breit, als sich nichts ereignet. Und dann endlich hebt sich der Bühnenaufbau im Stile eines beleuchteten Übersee-Containers und der Messias steht da – Sonnenbrille im Gesicht, langes Haar, Vollbart, die Arme unter dem wallenden Poncho ausgebreitet. Das Volk bejubelt und huldigt Jared Leto. Mir drängt sich augenblicklich der Vergleich zu Jesus bei seiner Bergpredigt auf. Die Stimmung kann damals nicht anders gewesen sein, mag man der Bibel Glauben schenken.

Wer zu einem 30 Seconds to Mars Konzert geht, muss damit leben, dass hier einiges anders ist, als man das üblicherweise gewohnt ist. So versaute Jared Leto den letzten Auftritt 2014 in Berlin damit, dass er die beiden nicht komischen Komiker Joko & Klass zu einem Gastauftritt auf die Bühne ließ. Man ist sich bei ihm eben nicht wirklich im Klaren, ob er nun singender Schauspieler oder aber schauspielender Sänger ist? Seine Rolle als Joker in Suicide Squad hat er angeblich auch in den Drehpausen so ausgelebt, dass seine Kollegen wenig mit ihm zu tun haben wollten.

Nun steht er da auf einer quadratischen Bühne, die an drei Seiten ins Publikum reicht und auf der Rückseite von Kameraleuten und Fotografen gesäumt wird. Dort stehen wohl auch noch ein Keyboarder und ein Gitarrist, denen der Zutritt zur Bühne jedoch verweigert wird. Einzig Bruder Shannon darf mit seinem Schlagzeug mit ins Rampenlicht und ein wenig vom Glanze des großen Jared profitieren. Und apropos Kameraleute und Fotografen: Diese laufen während des gesamten Konzerts stets und ständig auf der Bühne herum und lichten den Star des Abends in allen erdenklichen Positionen ab. Böse Zungen behaupten, Jared Leto wolle sich in den sozialen Medien besser präsentieren – das Publikum selbst ist nur genervt.

So tanzt und singt sich der Star im Stile eines angeschlagenen Boxers durch den Abend und holt sich auch das Publikum auf die Bühne. Auch hier ist man nicht sicher, ob diese Auswahl spontan erfolgt oder doch inszeniert ist? Wenigstens verschwinden Sonnenbrille und Poncho nach vier Songs, das darunterliegende weite Hemd mit psychodelischem Muster macht es allerdings auch nicht besser. Man wird den Eindruck eines zugedröhnten Alt-Hippies irgendwie nicht los.

Könnte ich ein paar persönliche Worte an Jared Leto richten, sähen die folgendermaßen aus:

Lieber Jared,

deine Show mag in den USA mit einem drittklassigen DJ als Vorband und Werbeeinblendungen in Dauerschleife sicher toll ankommen und dem dortigen Anspruch genügen. Hier in Deutschland ist es einfach nur peinlich. Ebenso peinlich und nervig sind die stets und ständig anwesenden Fotografen und Kameraleute auf der Bühne, die dich sicher in deinem Auftrag im besten Licht einfangen sollen. Wenigstens durften Joko & Klaas diesmal nicht auftreten. Du hast dir somit zumindest eine weitere Unannehmlichkeit erspart.

Dazu kommt, dass trotz der Platz 1 Platzierung in Deutschland dein letztes Album AMERICA uninspiriert und lustlos wirkt. Wäre ich böse, würde ich behaupten, es ist langweilig. Hätte ich die Karten nach dessen Veröffentlichung gekauft, ich weiß nicht, ob ich am gestrigen Abend in Berlin anwesend gewesen wäre.

Ohnehin war ich mir während des gesamten Auftritts nicht mehr sicher, ob du inzwischen der Realität vollständig entrückt bist und das Image des Messias nur gespielt oder tatsächlich bereits ein Teil deiner Persönlichkeit ist? Ist es noch Entertainment oder schon die pure Egozentrik, wie du dich auf der Bühne präsentierst? Ich weiß es nicht. Was ich aber weiß ist, dass ich dein nächstes Konzert in Berlin einfach nicht mehr besuche. Mit dem letzten Album und dem gestrigen Auftritt hast du zumindest einen Fan verloren.