So schnell überholt sich manchmal der eigene Bericht, in dem ich allerdings mit meiner unten aufgeführten Behauptung, dass weitere Absagen folgen werden, schon jetzt Recht behalten habe. Denn knapp 2 Wochen nach diesem Beitrag reiht sich mit Microsoft bereits der vierte große Publisher in die Reihe der Absagen ein.
Die Messe Köln spielt also im Moment einen Grand ohne vier … und ich gehe im stillen Kämmerlein davon aus, dass das nun endgültig das Ende der Messe einläutet, nachdem schon die E3 ein totaler Flopp war. Nichtsdestotrotz bleibt dieser Bericht hier bestehen, auch um im nächsten Jahr noch einmal nachlesen zu können, ob sich meine Vermutungen bestätigt haben oder ob ich zur Panikmache neige 😉
Man stelle sich vor, es ist Genfer Autosalon und VW, BMW und Porsche fehlen. Oder auf der IFA fehlen Yamaha, Panasonic und Denon. Oder, oder, oder … schwer vorzustellen? Aber klar doch, denn nachdem bereits THQ und Nintendo zumindest für dieses Jahr der Messe die kalte Schulter zeigen, schließt sich mit Sega nun der dritte Publisher an und bleibt der gamescom 2012 fern. Selbstverständlich geschieht dies nicht ohne pressetaugliche und öffentlichkeitswirksame Begründungen. Sega gibt an, dass der Messetermin nicht mit den Veröffentlichungsterminen der eigenen Titel konform geht, Nintendo möchte die Wii U lieber auf eigenen Events vorstellen und THQ kündigt einen rigorosen Sparkurs an, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Warum man dafür allerdings mit dem wichtigsten europäischen Termin startet, bleibt dortiges Geheimnis.
Nun könnte man bei THQ anführen, dass es ein kleinerer Stand auf der Messe auch täte, denn wie EA belegt auch THQ eine komplette Halle im Business Center. Man könnte also hinterfragen, ob der Sparkurs nun gleich das vollständige Fernbleiben auf der gamescom bedeuten muss, statt sich mit einem kleineren Auftritt zu begnügen? Ebenso könnte man sich bei Nintendo fragen, ob zahlreiche eigene Events tatsächlich mehr Pressevertreter und Spieler erreichen können, als dies auf der größten europäischen Spielemesse der Fall ist? Und Sega verschiebt seinen Blockbuster Aliens – Colonial Marines in das nächste Jahr. Na und? Man hätte Gelegenheit, den Spieler noch heißer auf einen Titel zu machen, der praktisch nach der Vorstellung im letzten Jahr schon jetzt ein Selbstläufer ist. Sind also all diese Gründe nur vorgeschoben? Steckt vielleicht doch mehr hinter den Absagen und zwischen den Zeilen, als man beim ersten Drüberlesen mitbekommt?
Ich gebe es zu: Ich liebe Verschwörungstheorien, lese viel zwischen den Zeilen und ich interpretiere damit viel in Gehörtes und Gelesenes hinein. Und damit komme ich für mich zu folgenden Theorien:
Ganz offensichtlich scheint sich der Umzug von Leipzig nach Köln nicht gelohnt zu haben. Man vermeldet zwar stetig steigende Besucherzahlen, aber was nützt das den Publishern? Die Spieler kaufen die Wochen und Monate nach der Messe sowieso jeden halbwegs gehypten Titel, bringen aber vor Ort kein Geld ein, da die gamescom keine Verkaufsmesse ist. Also ist man gezwungen, die zweihundertfünfzigtausend Angereisten in den Hallen irgendwie sinnvoll zu beschäftigen. Das geht am einfachsten mit einem Videofilmchen und einer zweiminütigen Demo, zu denen sich Klein Fritzchen gerne stundenlag anstellt. Dass er das Video am nächsten Tag auf hunderten Seiten im Internet findet, spielt keine Rolle, man war ja schließlich einer der ersten, die den Trailer auf der gamescom gesehen haben.
Mit steigenden Besucherzahlen hat mit Sicherheit auch in diesem Jahr die Messe Köln das lange ignorierte oder unterschätzte Problem, der Massen erneut Herr zu werden. Denn – man erinnere sich an letztes Jahr – jeder, der vor den Toren steht, begehrt letztlich auch Einlass. Wenn ein Spieler den Weg nach Köln auf sich nimmt, möchte er auch unterhalten werden und nicht am Eingang Süd mit Getränken u.v.m. abgespeist werden, weil die Messe aus allen Nähten platzt und einen Einlassstop verhängt. Solange in den Hallen die Publisher dicht an dicht gedrängt ihre Spiele präsentieren, wird sich an diesem Zustand nichts ändern. Man hätte nur die Möglichkeit, weitere Ausstellungsfläche zu nutzen, die Aussteller und damit die Menschenmassen räumlich zu entzerren. Da mehr Fläche aber mehr Geld kostet, wird man vom bisherigen System kaum abweichen und wieder werden sich die Leute auf die Zehen treten.
Wenn nun die Messe Köln und der BIU melden, dass die drei Absagen nicht ins Gewicht fallen, weil immer mehr Online-Publisher ihre Sachen präsentieren, dann klingt das wie das Pfeiffen allein im dunklen Wald. Immerhin reden wir hier von Nintendo und Sega als Urgesteinen der Videospielindustrie und THQ, die auch nicht ganz unbekannt sind. Da kann ein schnell zusammengedengeltes Online-Game eines zweitklassigen Privatsenders, der neben einem schlechten Fernsehprogramm auch Spiele vermarkten will, wohl kaum mithalten. Außerdem hatten wir das Thema Online-Messe schon einmal. Nach der Games Convention in Leipzig wurde dort weiter eine Messe für Online-Games veranstaltet, die aufgrund mangelnden Interesses aber nach dem zweiten Jahr heimlich, still und leise beerdigt wurde. Aber in Köln soll das Online-Gaming mit einem Male die Kastanien aus dem Feuer holen und den Verlust dreier Branchenriesen wettmachen?
Letzen Endes stellt sich mir die Frage, ob eine Messe für Endkunden in Zeiten des Internet überhaupt noch Sinn macht? Klar kann man den einen oder anderen Titel vor Ort anspielen, aber lohnt sich dafür der Weg ins Chaos? Jeder gezeigte Trailer ist ohnehin kurz nach der Messe – manchmal sogar schon vor der Messe – im Internet zu sehen, warum also stundenlang anstehen? Ich glaube, dass Nintendo die Zeichen der Zeit erkannt hat und lieber sein eigenes Süppchen kocht. Auch wenn die Organisation vieler kleiner Events und Promo-Aktionen mit Sicherheit aufwändiger ist, so erreicht man damit letzten Endes doch eher den zahlenden Kunden. Und wer weiß, wie viele Menschen nach einer solchen Nintendo-Promotion und einem Probespiel an der Wii U im Fachmarkt um die Ecke sofort eine Konsole mit nach Hause nehmen, statt nach einer Messe noch Monate darauf warten zu müssen? Ich würde mich nicht wundern, wenn Nintendo auf der gamescom 2011 das letzte Mal vertreten war. Weiterhin denke ich, dass weitere Publisher folgen werden. Wenn nicht in diesem, dann ab dem nächsten Jahr.
Die logische Konsequenz in der Addtion aller Fehlschläge und -einschätzungen der Messe Köln und des BIU ist folgende: Man inzeniert zukünftig eine reine Fachbesucher- und Presse-Veranstaltung. Damit spart man sich den Irrsinn außerhalb des Business-Centers. Außerdem ist man ja ohnehin am liebsten unter sich, um sich gegenseitig zu bashen oder aber auf die Schulter zu klopfen.
Ich glaube, dass sich die Zeit der gamescom so langsam ihrem Ende nähert, auch dem Internet sei Dank?!
edit 14.06.2012:
Nun hat auch noch Microsoft abgesagt >>>