Es gibt aufgrund der Masse an Spielen immer wieder Titel, die fast spurlos und unbemerkt an einem selbst vorüber gehen, zu groß ist inzwischen die Auswahl und der nicht enden wollende Nachschub an Software. Zu diesen Titeln gehört Child of Light und – um dem Fazit vorzugreifen – es würde gerade diesem Spiel nicht gerecht, ließe man es unbeachtet im Regal stehen. Und wenn man den Release im April verpasst hat, spielt man eben im August. Das macht das Spiel nicht schlechter.
In der letzten Woche drückte mir bei einem Besuch im Saarland das große Q das Joypad der Xbox One in die Hand und startete ein Spiel, das ich als Pappkarton im Fachmarkt um die Ecke bereits in Händen hielt, aber eben wieder wegstellte – Child of Light. Wieder in den heimischen vier Wänden angekommen, wurde der Titel geordert und auf der PS 4 installiert. Manchmal muss man eben auf die harte Tour lernen, mit dem Gesicht drauf gestoßen und zu seinem Glück gezwungen werden, um zu verstehen, dass es Titel gibt, die auch ohne gewaltigen Hype mehr als nur den einen Blick wert sind.
Die Story ist bekannt, denn unscheinbare/r Held/in wider Willen muss eine ganze Welt retten. Diesmal ist es die kleine Prinzessin Aurora, der eine solche Last auf die schmalen Schultern geladen wird. Die rothaarige Aurora verstirbt in ihrer Welt und erwacht in Lemuria. Hier erfährt sie, dass diese Welt sich ihrem Ende nähert und nur sie das Schicksal Lemurias ändern kann. So weit, so klassisch, doch eben auch wieder nicht. Aufgebaut auf dem grafischen Gerippe von Rayman Legends ähnelt das Spiel auf den ersten Blick eher einem Jump`n`Run, denn einem Rollenspiel. Aurora bewegt sich anfangs zu Fuß von links nach rechts und umgekehrt über den Bildschirm, später kann sie sogar fliegen. So wird sie Schritt für Schritt an ihre Aufgabe herangeführt, Sonne, Mond und Sterne von der dunklen Königin zurückzuholen und die im Schlaf versunkene Welt wieder zu erwecken. Nichts leichter als das, was haben kindliche Prinzessinnen sonst auch anderes zu tun?
Aber zum Glück muss Aurora das Abenteuer nicht allein bestehen, denn neben dem Glühwürmchen Igniculus, das doch sehr an Murfy aus Rayman erinnert, stehen ihr im Laufe der Geschichte einige weitere Helfer wie die Artistin Rubella oder der Zwerg Finn im Kampf zur Seite. Und hier wird Child of Light dann ein typisches Rollenspiel im japanischen Stil. Trifft man in Lemuria auf einen Gegner, wechselt das Spiel in die Arena und der rundenbasierte Kampf kann beginnen. Rätselt man in vielen RPG, wer denn nun im Kampf an der Reihe ist, wurde dies in Child of Light toll gelöst. Am unteren Bildschirmrand erscheint eine Zeitleiste. Kurz vor dem Ende darf man eine Aktion auswählen, die dann am Ende des Balkens ausgeführt wird. So erkennt man genau welches Partymitglied nun eine Aktion ausführen darf und die Entscheidung ob angegriffen, gezaubert oder geheilt werden soll, fällt somit leichter. Leider gibt es aber auch Zauber, die Aktionen unterbrechen, so dass sich der Charakter unvermittelt wieder am Beginn der Leiste befindet, aber gerade dies macht den Reiz des Kampfsystems aus.
Aber unbedachtes Zaubern oder dumpfes Draufklopfen auf Gegner bringt kaum etwas. Denn bereits nach kurzer Zeit stellt man fest, dass diese Kämpfe doch von viel Taktik geprägt sind. Es nützt nichts, einen offenbar vor Feuer rotglühenden Schlangenkopf mit Schwert oder Flammenzauber zu bekämpfen. Da muss schon einiges an Wasser her, um hier Erfolg zu haben. Einfacher wird es im Koop-Modus, in dem ein Spieler Aurora und der andere das Glühwürmchen steuert. Igniculus kann zwar nicht kämpfen, aber zumindest einen Gegner festhalten und somit die Zeit bis zu dessen nächster Aktion hinauszögern. Außerdem sammelt er Wünsche ein, das Pedant zu klassischen Tränken, Kapseln etc., die Magie- und Heilpunkte wieder herstellen. Spielt man allein, steuert man den Wurm mit dem rechten Stick und hilft sich selbst. Selbstverständlich sammelt man Erfahrungspunkte, die in zahlreiche Fertigkeiten investiert werden. So verbessert man Zaubersprüche oder verkürzt die Zeit bis zur nächsten Aktion. Obendrein findet man gelegentlich Kristalle, die man zu Oculi schmiedet. Hier werden Werte verbessert oder Waffen mit einer zusätzlichen Aktion wie einem Blitzangriff aufgewertet.
Aber Kämpfe sind selbstverständlich nicht alles, was in Lemuria erledigt werden muss. Denn auch zahlreiche kleinere Rätsel wollen gelöst werden. So muss Igniculus an bestimmten Türen Schatten von Gegenständen an der richtigen Stelle einer Wand positionieren, damit sich eine Tür zu einem Dungeon öffnet. Auch müssen Lara Croft typisch Kisten verschoben werden, um höher gelegene Ausgänge zu erreichen. Diese Rätsel wiederholen sich aber und deren Schwierigkeitsgrad ist doch eher am unteren Ende der Skala anzusiedeln.
Grafisch ist Child of Light ein animiertes Märchenbuch. Tuschkastenfarben soweit das Auge reicht, bei einem unaufdringlichen Hintergrundgedüdel machen Child of Light zu einem Hingucker. Ja, das Spiel ist linear aufgebaut, es gibt keine Nebenquests, die deutschen Übersetzungen in Reimform sind manchmal grenzwertig und der Schwierigkeitsgrad ist niedrig, na und? Dafür kostet das Spiel weniger als ein Drittel sonstiger Vollpreisprodukte, die teilweise dieses Attribut nicht verdienen und bietet großartige Grafik mit einem ebenso großartigen Kampfsystem. Und mehr braucht es nicht.
Fazit:
Man nehme eine kleine rothaarige Prinzessin, den grafischen Hintergrund von Rayman, stelle ihr Murfy – sorry – Igniculus an die Seite und schubse sie in eine dunkle, unbekannte Welt. Dann füge man ein tolles, taktisches Kampfsystem, großartige Grafik und einige simple Rätsel hinzu, fertig ist das Rollenspiel. Aber ist es wirklich so einfach?
Ja, denn so einfach ist es tatsächlich ein Spiel zu produzieren, dass aus dem großen Brei der Shooter, Renn- und Sportspiele heraussticht. Child of Light ist zwar kein episches, aber dennoch ein mehr als nur ansprechendes Rollenspiel, dass man heutzutage mit der Lupe suchen muss, es sei denn, man besitzt ein SNES mit Perlen wie Terranigma oder Secret of Mana.
Wer also etwas für Spiele jenseits des Mainstream übrig hat, sollte sich die weniger als 20,-€ ans Bein binden und sich die Pappschachtel mit einigen netten Goodies ins Regal stellen. Man erhält dafür Spielspaß mit wunderschöner Grafik und deutschen Bildschirmtexten, der im Gedächtnis haften bleibt und vielleicht nicht nach dem ersten Durchspielen auf ewige Zeiten vergessen im Schrank verschwindet.