Ich habe mal einen Satz gehört, der mich immer wieder mal beschäftigt: Wenn ich heute eine Tageszeitung lese, dann habe ich damit mehr Informationen aufgenommen, als ein Mensch im Mittelalter in seinem ganzen Leben. Nun liegen auch Printmedien in den letzten Zügen, bis auch spätestens die nächste Generation zur Informationsbeschaffung nur noch das Internet nutzt und dennoch bekomme ich heute, egal durch welches Medium, jede Information, die ich benötige. Und ich bekomme viel zu viele Informationen, die ich nicht benötige.
Ob am PC oder auf dem Smartphone, stets und ständig werde ich mit einer Flut an Meldungen und Beiträgen konfrontiert, egal ob ich diese benötige oder auch nicht. Immer bessere Algorithmen sorgen dafür, dass ein Thema, welches mich aufgrund meiner bisherigen Suchanfragen interessieren könnte, nur einen Klick entfernt ist. Wische ich auf meinem Google-Handy nach links, stehen mir zahlreiche aktuelle Beiträge zur Verfügung. Nun liegt es an mir, ob ich diese Links anklicke oder ob ich die ignoriere. Es ist vergleichbar mit dem Rauchen. Habe ich die Beherrschung, es nicht zu tun oder gebe ich dem Drängen nach?
Aber das ist nicht das eigentliche Problem, denn die Art, wie ich Informationen suche, hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Jede von mir benötigte Information, steht mir über Google als Suchmaschine in Sekunden zur Verfügung. Öffnungszeiten beim Arzt? Praxis eingeben und schon kann ich meinen Termin machen. In welchen Filmen hat der Schauspieler, den ich gerade bei Netflix in einer Serie sehe, noch mitgespielt? Namen eingeben und schon werden nicht nur alle Rollen, sondern auch dessen gesamtes Leben vor mir ausgebreitet. Ich suche einen neuen TV oder eine neue Waschmaschine? Zahlreiche Tests helfen mir bei der Entscheidungsfindung.
Google ist das Synonym, wenn wir etwas im Netz suchen. Über Jahre hinweg hat Google seine Suchmaschine immer mehr verfeinert, hat Algorithmen angepasst, um qualitativ hochwertige Seiten mit gehaltvollen Inhalten mit einer guten Platzierung im Ranking zu belohnen. Als Websitebetreiber richtete man deswegen seine Beiträge auch auf Google und dessen Crawler aus. Man bot Inhalte, die nicht nur hochwertig und informativ für Menschen waren, man sorgte gleichzeitig dafür, dass man bei Google relevant war. Dieses System hat sich über Jahre entwickelt und war etabliert.
Mit Social Media gab es jedoch die erste große Delle, denn Instagram, TikTok, YouTube und andere änderten die Art und Weise, wie Informationen vermittelt und aufgenommen werden und wie Menschen relevante Inhalte wahrnehmen. Auch Unternehmen passten sich diesem Trend an und präsentieren sich nun zusätzlich in den sozialen Medien, um auch diejenigen abzuholen, denen das Lesen von Beiträgen inzwischen zu aufwendig ist.
Zu Anfang waren die zahlreichen Clips noch etwas Besonderes. Bewegte Bilder statt schnödem Text zu konsumieren ist halt einfacher. Doch der Wind hat sich gedreht. In kurzen Clips werden Informationen inzwischen als Unterhaltung verpackt. Jeder Mensch mit einem Handy kann Videos aufnehmen und auf einer oder mehreren der vielen Plattformen posten. Das an sich ist kein Problem, das Problem dahinter ist, Wahrheit von Schwachsinn zu trennen. Denn echte Informationen und Unterhaltung vermischen sich mittlerweile soweit miteinander, dass es fast unmöglich geworden ist, den Wahrheitsgehalt dahinter zu erkennen.
Erkenne ich aber die Wahrheit hinter einer als lustigem Video verpackten Info nicht mehr, ist dem Chaos Tür und Tor geöffnet. Nicht umsonst betreiben so viele Staaten gezielte Desinformationskampagnen in anderen Staaten. Wenn der Mensch nicht mehr weiß, was Wahrheit oder Lüge ist, glaubt er demjenigen, der diese Info am überzeugendsten vermittelt. Und nichts anderes sind zahlreiche Influencer oder solche, die gerne einer wären. Klickzahlen, Likes und Kommentare sind die neue Währung, die Wahrheit bleibt auf der Strecke. Jeder darf ungeprüft (fast) alles verbreiten, Hauptsache man wird gesehen. Vertrauen in die Wahrheit verschiebt sich von Relevanz nach Sichtbarkeit. Und nun also das nächste und vermutlich letzte große Ding – KI.
Google war bisher das Medium, wenn es darum ging, sich Informationen zu beschaffen. Ich nutze Google, um für einen Beitrag zu recherchieren, mir Hilfe oder Alternativen für ein Kochrezept zu holen, Öffnungszeiten und Telefonnummern von Behörden und Institutionen zu erfahren oder schlicht nach Antworten auf Dinge zu suchen, die mich interessieren. Ich lande da auf den verschiedensten Seiten und je nachdem, ob die Seite gut aufgebaut ist oder nicht, mich der Text mit mitnimmt oder eben nicht, verweile ich da länger oder bin sofort wieder weg. Und ich bin da keine Ausnahme.
Website-Betreiber müssen also nicht nur gut lesbar aufbereitete Informationen zur Verfügung stellen, sondern diese auch noch optisch ansprechend präsentieren, ohne dass dabei eine Site der anderen gleicht. Eine gute Website muss also nebenbei auch noch weitestgehend einzigartig und gut aufgebaut sein, um den Leser bei der Stange zu halten. Aber diese Zeit scheint sich ihrem Ende zu nähern.
Immer öfter steht nämlich bei einer Suchanfrage inzwischen die kleine Überschrift „Übersicht mit KI“, dazu gibt es eine in wenigen Sätzen aufbereitete Antwort. Die KI durchforstet also in Sekundenschnelle das Netz nach relevanten Informationen und bereitet diese so auf, dass dem normalen User dies bereits ausreicht. Links auf die Websites, die die KI für ihre Antwort herangezogen hat, findet man zwar, aber warum sollte ich die Seiten aufrufen, wenn ich die Antwort bereits erhalten habe? Die KI übernimmt also die vollständige Suche für den User und vereinfacht diese nicht nur, sondern verkürzt auch die Zeit, die man sonst für die Suche aufgewendet hätte. Der Leser geht also nicht mehr auf die entsprechenden Websites, um Antworten zu erhalten, weil er diese ja bereits am Kopf der Google-Suche automatisiert erhält. Und hier beginnt die KI, das Internet abzuschaffen.
Wenn sich nämlich Menschen nicht mehr die Mühe machen müssen, verschiedene Seiten zu besuchen, um eine gewünschte Information zu erhalten, warum soll ich dann noch eine Website betreiben? Warum soll man sich als Betreiber die Mühe machen, Informationen zu einem Thema zusammenzutragen, warum soll eine Tageszeitung ihre Berichte täglich online zur Verfügung stellen und warum sollte man sich obendrein noch die Mühe machen, Beiträge mit Grafiken oder Fotos aufzuwerten, wenn sich das in Zukunft ohnehin niemand mehr anschaut?
Websites leben, wie schon davor die Printmagazine, vom Verkauf von Werbung. Je relevanter meine Informationen sind und je mehr Menschen die entsprechende Website besuchen, desto mehr Werbung kann ich schalten. Mit diesen Werbeeinnahmen finanziert der Betreiber alles, was mit dem Betrieb der Website zu tun hat, bis hin zu den Gehältern der Mitarbeiter, die zahlreiche Beiträge für diese Seite schreiben. Eine Website ist also ein Unternehmen, nur dass hier Information oder Dienstleistungen statt Güter produziert werden. So viele Seiten sind somit auf Werbung angewiesen.
Nun aber übernimmt die KI die Suche nach Informationen, der Mensch vor dem Display ist nicht mehr darauf angewiesen, Websites zu besuchen. Und damit brechen die Besucherzahlen auf den Seiten ein. Aber Besucherzahlen sind die Währung für die Relevanz einer Seite, je mehr Besucher, desto wichtiger ist diese. Brechen die Zahlen aber ein, weil die KI bereits alle Infos zur Verfügung stellt, sinkt die Relevanz und damit irgendwann die Einnahme, die durch Werbung erzielt wird.
Das Horror-Szenario ist also, dass so über kurz oder lang, zahlreiche Websites einfach verschwinden werden, weil aufgrund ausbleibender Besucher keine Einnahmen mehr generiert werden können. Wenn aber Websites verschwinden, wo holt sich die KI dann die Informationen her, die sie zur Verfügung stellt?
Google scheint das Problem langsam zu erkennen und setzt nun die gesponsorten, also bezahlten Links an den Kopf der Seite, noch über die Antwort der eigenen KI. Wenn das das Modell der Zukunft ist, müssen Websitebetreiber demnächst dafür bezahlen, um einen sichtbaren Platz bei der Google-Suche zu erhalten. Relevante Inhalte sind nicht mehr wichtig, nicht wer Qualität abliefert, sondern wer zahlt, der bleibt.
Aber auch das werden sich nicht alle Betreiber leisten können. Das Netz wird sich also ausdünnen. Und wie lange investiert Google dann noch in seine KI, wenn die erst unterhalb der bezahlten Links sichtbar wird? Noch sind das einige wenige, aber das wird sich ändern. Das also ist das klassische Bild der Schlange, die sich selbst verschlingt.
Das Internet, wie wir es kennen, ist also dabei, sich grundlegend zu verändern. Google hat das erste Mal seit Jahren der Dominanz einen Einbruch bei den Suchanfragen auf unter 90% hinnehmen müssen, weil immer mehr Menschen inzwischen ChatGPT und andere KI-Modelle für Suchanfragen nutzen. Aber auch diese KI-Modelle leben (noch) von Inhalten, die das Netz zur Verfügung stellt. Wenn es aber keine Inhalte mehr gibt, weil das Netz nichts mehr zur Verfügung stellt, kann sich auch eine KI nicht weiterentwickeln.
Vielleicht tritt irgendwann eine Stagnation ein, bei der einfach keine neuen Informationen mehr digital zur Verfügung stehen werden? Dann gibt es auch keine KI mehr, die diese aufbereiten kann. Oder aber die KI ist dann so selbstständig, dass sie den Menschen das Denken vollständig abnimmt – wer weiß das schon? Ich bin jedenfalls froh, dass ich das alles vermutlich nicht mehr miterleben muss – die Matrix und der Terminator lassen schön grüßen.