Die besten Momente kommen immer unerwartet. Wie wahr dieser Satz ist, durfte ich vor kurzem wieder einmal hautnah erleben. Beim Konzert meiner Lieblingsband Bastille sprang der Leadsänger Dan plötzlich von der Bühne, kletterte über die Balustrade und lief mitten durchs Publikum. Ein paar Sekunden und ein wenig Gedränge später stand ich ihm plötzlich direkt gegenüber. Wie es dazu kommen konnte, weiß ich nicht mehr genau, denn dafür geschah alles viel zu schnell. An was ich mich aber sehr wohl erinnere ist, wie alles für ein paar Sekunden wie in Zeitlupe geschah, meine Hand über seinen Arm streifte und ich anstatt der dröhnenden Bühnenboxen klar und deutlich seine echte Stimme hörte.
Das war ein wirklich ganz besonderer Moment. Eine echte Stimme ist tausendmal klangvoller, intimer und räumlicher als das, was man von den meisten Audioaufnahmen kennt. Dazu kommt leider, dass bei den meisten das generell schon verminderte Klangerlebnis dann auch noch mit preisgünstigen Kopfhörern verbunden wird – schließlich verliert man die viel zu oft und auf der Straße oder in der vollen Bahn kann man Musik sowieso nicht ungestört genießen.
Aber ist das wirklich so?
Zugegeben, es gibt höchstwahrscheinlich keinen einzigen Kopfhörer, der eine Stimme so real und klangvoll wiedergeben kann, wie der menschliche Kehlkopf und das Gehör des Empfängers es zulassen. In den letzten Monaten durfte ich jedoch die Erfahrung machen, dass tatsächlich bezahlbare Kopfhörer, die nicht nur ein mitreißend reales Klangbild erzeugen, sondern auch das ungestörte Hören unterwegs ermöglichen, wirklich existieren.
Die Rede ist von dem Lagoon ANC des in Heilbronn ansässigen Unternehmens beyerdynamic. Ursprünglich gründete der Elektroingenieur Eugen Beyer die Firma um Kinolautsprecher zu bauen. Mit der Zeit stellte das Familienunternehmen auch Mikrofone und Kopfhörer für die professionelle Anwendung im Tonstudio und auf der Bühne her. Seit Ende 2018 präsentiert beyerdynamic nicht nur sich selbst mit einem völlig neuen, jüngeren Design, sondern auch ihre Produkte. Diese sollen nun auch die jüngeren Generationen ansprechen und High-End-Qualität für den Musikgenuss zu Hause und für unterwegs ermöglichen.
Angeboten wird der geschlossene Bluetooth-Kopfhörer für 399€ in den Versionen „Traveller“ und „Explorer“. Die Unterscheidung der beiden Varianten liegt in ihrer Farbgebung, wobei man zwischen der komplett schwarzen oder grau-braunen wählen kann. Bei meinem Testkopfhörer handelt es sich um den Lagoon ANC Explorer und demnach zufällig der Version des Kopfhörers, die mir persönlich am meisten gefällt.
Die ohrumschließenden Polster, sowie der längenverstellbare Bügel des Kopfhörers bestehen aus Memory-Schaum und wurden mit braunem Protein-Kunstleder überzogen. Mit nur 283 Gramm zählt der Reisebegleiter definitiv zu den Leichtgewichten und kann daher problemlos mehrere Stunden getragen werden. Problematisch wird es nur dann, wenn die Temperaturen ansteigen, was gerade in überfüllten Bussen während des Sommeralltags der Großstadt völlig selbstverständlich ist – Klimaanlagen sind hier meist ein Fremdwort. So macht sich hier die fehlende Atmungsaktivität, der große Nachteil von Kunstleder, ziemlich schnell bemerkbar.
Spätestens bei der Reinigung der Ohrpolster wird aber auch der große Vorteil von Kunstleder klar. Dieses muss nämlich einfach nur mit einem feuchten Lappen abgewischt werden – bei Echtleder wäre das Reinigungsverfahren viel komplizierter. Der restliche Kopfhörer besteht aus Kunststoff, wirkt aber trotzdem sehr elegant, hochwertig und stabil.
Ein geniales Feature sind die Innenseiten der Ohrmuscheln, welche je nach Betriebszustand des Kopfhörers in verschiedenen Farben aufleuchten. Bezeichnet wird dieses System von beyerdynamic als Light-Guide-System. Die genauen Bedeutungen der Lichtsignale sind alle in der Bedienungsanleitung hinterlegt. Mein persönliches Highlight ist die Kennzeichnung der linken und rechten Ohrmuschel durch rotes und weiß-bläuliches Licht. Dadurch sieht man auch in der Dunkelheit, beispielsweise nachts im Flieger, wie der Kopfhörer aufgesetzt werden soll.
An der rechten Seite des Lagoon ANC kann die Musikwiedergabe durch eine Touch-Oberfläche gesteuert werden. Aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen mit Kopfhörer-Touch-Oberflächen war ich zunächst etwas skeptisch, was binnen weniger Sekunden aber in pure Begeisterung umschlug. Wider Erwarten ist die Oberfläche nämlich sehr präzise und reagiert sicher auf jede Aktion. Wischt man horizontal, nach links oder rechts, so ändert sich das Lied. Hält man diese Geste, wird vorgespult. Wiederholt man das Gleiche vertikal, so verändert man die Lautstärke. Über doppeltes Antippen kann man die Musik starten, stoppen oder Anrufe entgegennehmen. Die einzige Funktion die ich persönlich tatsächlich nie benutzte, da ich sie komplett deaktiviert habe, war die des Apple- oder Google-Assistenten. Dieser kann durch 2-sekündiges Halten des Fingers auf der Mitte des Touchpads aktiviert werden. Für alle die jedoch regelmäßig mit dem Tool arbeiten, ist diese Funktion wirklich nützlich.
Neben der Touch-Oberfläche findet man rechts zudem ein Mikrofon, welches während des Telefonierens eine wirklich gute Gesprächsqualität ermöglicht und zwei Schalter, die dem Ein- und Ausschalten des Kopfhörers, sowie dem Aktivieren des Noise Cancellings dienen.
Als ich den Lagoon auf meinem täglichen Heimweg, in einer überfüllten Berliner U-Bahn, aufsetzte und das ANC aktivierte war ich absolut überrascht. Natürlich hatte ich eine Vorstellung dessen, was das ANC leisten kann. Das, was ich nun aber hörte beziehungsweise nicht mehr hörte, verblüffte mich vollkommen. Weder die Gespräche der Menschen um mich herum, noch das dröhnende Piepen der Türen beim Schließen war mehr zu hören. Alles was blieb, war der ungestörte und trotz des aktivierten ANCs satte, räumliche Klang meiner Musik.
Besonders die Klangqualität überraschte mich positiv, da ANC oftmals zu einer starken Verschlechterung des Sounds führt. Bei diesem Kopfhörer war das aber ganz und gar nicht der Fall. Zusätzlich wurde für den alltäglichen Gebrauch mitgedacht, sodass man zwischen zwei Stärken des ANC wählen kann. Wer also auf stark befahrenen Straßen unterwegs ist, sollte die erste ANC Stufe verwenden. Diese lässt Geräusche von Autos und Straßenbahnen nämlich leicht durch, sodass man nicht Gefahr läuft als Fußgänger mit größeren, gefährlichen Verkehrsteilnehmern zu kollidieren.
Mit aktiviertem ANC kommt der Bluetooth-Kopfhörer auf eine Akkulaufzeit von 24,5 Stunden. Schaltet man das ANC aus, was ich um ehrlich zu sein den Großteil der Zeit tat, da bereits durch die ohrumschließende Bauweise viel Schall von außen abgefangen wird, so reicht der Akku sogar für 45 Stunden. Aufgeladen werden kann der Lagoon ANC mit einem Kabel von USB Typ C auf USB Typ A, welches selbstverständlich mitgeliefert wird. Nach ungefähr drei Stunden Ladezeit hat der Kopfhörer wieder seine volle Kapazität. Ist gerade keine Steckdose in der Nähe, wie es unterwegs nun mal passiert, kann man den Lagoon auch ganz einfach direkt mit dem Ausgabegerät durch ein 1,2 Meter langes Anschlusskabel mit 3,5 Klinkensteckern an beiden Enden verbinden. Wem das noch nicht reicht, dem hilft der Online-Shop von beyerdynamic weiter. Hier können nicht nur Ersatzkabel und Ohrpolster bestellt werden, sondern auch ein steckbarer 3,5mm > 6,35mm Klinkenadapter.
Mein liebstes Zubehör des Lagoon ist das mitgelieferte Etui, welches das Verstauen der Kopfhörer erleichtert. Zugegeben – die Bauweise der Tasche ermöglicht nicht unbedingt die platzsparendste Faltweise der Kopfhörer, trotzdem aber sind sie geschützt und sicher vor losen Schlüsseln oder anderen scharfkantigen Gegenständen, die gerne Mal in Taschen herumfliegen. Was wirklich fehlt ist eine sich im Etui befindliche Tasche für die Kabel. Ein wenig verwunderte mich dies, da das Etui meiner privaten beyerdynamic In-Ear-Kopfhörer über solch eine Innentasche verfügt. Natürlich ist das Etui des Reisekopfhörers groß genug, um die Kabel unterzubringen, bloß liegen sie dann lose darin und verrutschen schnell.
Gekoppelt werden kann der Lagoon ANC sowohl mit Android als auch mit iOS. Bei beiden Betriebssystemen und ihren unterschiedlichen Codecs verläuft die Kopplung schnell und absolut problemlos. Mit bis zu 15 Geräten kann der Kopfhörer gekoppelt werden, wobei die Bluetooth-Verbindung im Test bei allen noch so unterschiedlichen Geräten über eine mehrere Zimmer lange Funkstrecke stabil blieb.
Der Bluetooth Kopfhörer kann, insofern er mit einem Smartphone verbunden ist, durch die MIY-App angepasst werden. Zunächst wird ein Profil erstellt, wobei man sein Geburtsjahr einstellt und einen Hörtest absolviert. Hierbei werden verschiedene Frequenzen abgespielt und solange man diese hören kann, drückt man auf einen Button. Aus den Ergebnissen der wahrnehmbaren Frequenzen werden dann spezielle Anpassungen für den Kopfhörer gemacht, die das Hörerlebnis personalisiert optimieren. Auch die Empfindlichkeit der Touch-Steuerung, sowie eine Statistik, die die maximale Sounddosis pro Tag angibt, können über die App abgerufen werden.
Durch einen Frequenzbereich von 10 – 30.000 Hz liefert der Lagoon ANC ein volles Klangspektrum, welches den durch einen durchschnittlichen menschlichen Hörer wahrnehmbaren Bereich deutlich übertrifft. Das gesamte Klangbild ist absolut harmonisch abgestimmt und überzeugt mit sehr guter Detailauflösung.
Das Lied „Divide“ von Bastille klingt auf dem Kopfhörer so real und nah, dass es mich für eine Sekunde absolut in die Konzertsituation zurückversetze und Gänsehaut auslöste. Schließt man die Augen, so kommt es einem tatsächlich so vor, als stünde man direkt neben dem Sänger, während die Instrumente ringsherum verteilt sind.
Wie kräftig, aber trotzdem klar und dynamisch der Bass des Lagoon ANC klingt, fand ich beim Lied „Numb“ von Meg Myers heraus. Verstärkt wird der Bass übrigens, sobald man das ANC aktiviert, was sich unterwegs als sehr nützlich erweist. Die Abschirmung von der Außenwelt wird dadurch noch stärker, bleibt aber trotzdem angenehm, sodass man die Musik lange Zeit genießen kann, ohne ein Dröhnen auf den Ohren zu bekommen.
Was mich am meisten beeindruckte, da ich es besonders von Reisekopfhörern nicht gewohnt bin, war die Klarheit der Höhen. Bei dem Refrain des Liedes „Don’t Threaten Me With A Good Time“ von Panic! At The Disco erwartete mich zu meiner Überraschung nicht das übliche Klirren, an das ich mich fast schon gewöhnt hatte, sondern detailreiche, angenehme Töne – sogar unterwegs in Bus und Bahn. Zusätzlich, wie bereits am Anfang erwähnt, punktet der Lagoon ANC im Klang auch ganz deutlich mit seiner Raumtiefe und seiner realistischen Stereowiedergabe. So hat man auch unterwegs das Gefühl mitten im Konzert zu sitzen.
Das allerbeste daran? Durch die geschlossene Bauweise des Kopfhörers belästigt man tatsächlich keinen Sitznachbarn mit seiner Musik. Erst, wenn man eine Lautstärke von 80% überschreitet, wobei diese auch wirklich in den Ohren wehtut, hört man die Musik durch. Für alle, die Musik also in übertriebener Lautstärke hören wollen heißt es, um es mit den Worten der Berliner S-Bahn auszudrücken:
„Nimm Rücksicht! Denn wir sitzen alle im gleichen Zug.“
Fazit:
Natürlich ersetzt ein Reisekopfhörer klanglich keinen High-End-Kopfhörer für den Musikgenuss zuhause. Wer aber viel unterwegs ist und seine Musik trotzdem so viel und gut wie möglich hören will, der wird an dem Lagoon ANC von beyerdynamic definitiv viel Gefallen finden.
Für nur 400€ ermöglicht der Bluetooth-Kopfhörer lange, komfortable Hörsessions und liefert ein wirklich hervorragendes Klangerlebnis, das den Hörspaß nicht nur unterwegs garantiert.
Link zur Herstellerseite: beyerdynamic LAGOON ANC
Update:
beyerdynamic gibt 100,-€ Preisnachlass auf den LAGOON ANC
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