Hardwaretest: Cambridge Audio Alva TT – das Mehr an Lebendigkeit

Im Januar letzten Jahres kündigte Cambridge Audio den Alva TT an, zu den Norddeutschen HiFi Tagen am 03. Februar konnte ich mir den Plattenspieler während einer Vorführung das erste Mal ansehen und anhören. Allerdings war zum Ende der vorgeführten Schallplatte niemand vom Cambridge Team anwesend, um eine neue Scheibe aufzulegen. Also erledigte ich das eben selbst. Das hatte zur Folge, dass ich mir danach einen verbalen Gong der Extraklasse abholte, weil ich soeben Hand an den einzigen funktionierenden Prototypen des neuen Abspielers gelegt hatte –  Frevel in seiner reinsten Form.

Nun aber darf ich alles selbst bedienen, denn der Alva TT steht hier zum ausgiebigen Test in meinem Wohnzimmer. Nun denke ich, dass ich mit meinem Yamaha Vinyl 500 mit neuer Audio-Technica Nadel VM520EB bisher recht gut dabei war, aber schon bei den ersten Tönen meiner persönlichen Referenz-Scheibe Outlandos d`Amour von The Police muss ich meine Meinung revidieren. Hier handelt es sich nicht um die erste Pressung von 1978, sondern um eine neue Half Speed Mastering Scheibe der Abby Road Studios aus dem Jahr 2018.

So viele der wirklich alten und so guten Songs nehmen mich sofort mit, denn hier war Sting noch Sting, bevor er seine Solo-Karriere startete – aber das ist meine persönliche Meinung. Gerade bei The Police ist es der pure Minimalismus, der die Band über Jahre hinweg auszeichnete. Die Dynamik von Stewart Copeland am Schlagzeug füllt gerade beim Refrain von So Lonely den Raum, in den Passagen dazwischen sind es die Gitarre von Andy Summers und der Bass von Sting. Es gibt wohl kaum eine Band, bei der der Bass so klar gespielt herauszuhören ist.

Aber was zeichnet den Alva TT denn nun wirklich aus? Plattendreher gibt es glücklicherweise wieder zahlreich zu erwerben, die Preise beginnen bei unter Hundert Euro, nach oben sind kaum Grenzen gesetzt. Cambridge Audio macht aber keine halben Sachen und siedelt den Alva TT dann gleich mal in einem Segment an, in dem sich nur Vinyl-Fans tummeln, die bestmögliche Qualität zu einem noch halbwegs überschaubaren Preis suchen. Mit 1699,- Euro ist der Alva TT also sicher kein Schnäppchen, aber das will er aufgrund seiner verbauten Technik auch gar nicht sein. Wer ein wenig sucht, bekommt den Plattenspieler mittlerweile aber auch etwas günstiger.

Der Aufbau gestaltet sich simpel. Den Player mit aller Vorsicht aus seiner Verpackung befreit, den Plattenteller aufgelegt und das Gegengewicht angeschraubt, schon ist das System fast fertig zum Abspielen. Warum nur fast? Vor dem Spielen steht immer die Justierung des Tonarms. Cambridge Audio gibt hier 2 Gramm an, aber ich stehe im ersten Moment wie die sprichwörtliche Kuh vor dem neuen Tor, denn der Tonarm hat kein Gegengewicht. Wie also sollen hier 2 Gramm eingestellt werden?

Die Anleitung hilft weiter, denn zum Justieren wird eine kleine Kippwaage von Ortofon verwendet. Hat man das System verstanden, tastet man sich Stück für Stück an das korrekte Auflagegewicht des Tonabnehmers. Wieder etwas Neues gelernt!

Spätestens beim Anschluss des Phonokabels staunt man erneut, denn die Anleitung sagt aus, dass das Kabel nicht in den Phono-Eingang des Verstärkers gesteckt werden darf. Der Grund ist so simpel, wie üblicherweise kostspielig. Der Alva TT verfügt mit dem integrierten Duo aus dem eigenen Haus bereits über einen Vorverstärker. Das Kabel kann also an einen beliebigen Cinch-Port des Verstärkers angeschlossen werden. Gut für diejenigen, die über einen Vollverstärker ohne eigene Phono-Vorstufe auskommen müssen.

Das Design des Alva TT ist zeitlos elegant und wirkt wie aus einem Guss. Alles erscheint wie bereits etliche Male gesehen und dennoch hat der Abspieler ein eigenes Gesicht. Runde Kanten, obendrauf die Ebene aus Aluminium, der gefräste Name Cambridge auf der rechten Seite – alles so schlicht, aber eben edel anzuschauen. Für die Bedienung benötigt man nur den eben in der Oberfläche versenkten Startknopf und den für die gewünschte Umdrehung. Möglich sind 33 und 45 Umdrehungen, auf 78rpm wurde verzichtet. Auffällig ist der gewaltige Plattenteller aus einem Kunststoff-Gemisch namens Polyoxymethylen – oder kurz POM. Dieser Teller ist so schwer, dass damit Vibrationen von vornherein ausgeschlossen werden.

Beim Tonarm greift man bei Cambridge Audio auf Gutes und Bewährtes zurück, statt für viel Geld etwas Eigenes zu entwickeln. Zum Einsatz kommt der Tonarm RB 330 von Reba, der allein mit gut 580,- Euro im Katalog steht. Die elliptische Nadel ist bereits fertig vormontiert, verwendet wird ein MC-System. Einen Riemen sucht man vergeblich, der Alva TT wird direkt angetrieben. Wird der Teller gestartet, ist er sofort auf entsprechender Geschwindigkeit. Und dieser Antrieb ist so gut, dass man beim Start – und auch sonst – keinerlei Geräusche vernimmt.

Die Rückseite ist ebenso spartanisch, wie das ganze Gerät selbst. Allerdings fällt neben dem  klassischen Eingang für das Phono-Kabel ein kleiner Kippschalter auf, an dem Bluetooth zugeschaltet werden kann. So kann das Lieblingsvinyl auch an einen entsprechenden Lautsprecher oder Kopfhörer kabellos übertragen werden. Allerdings klingt dies natürlich nicht annähernd so voll, wie der direkte Anschluss an den Stereo-Receiver. Und dennoch ist es schön, dass Cambridge Audio auch diese Möglichkeit beim Alva TT anbietet. Auch wenn kaum eines der Pressefotos dies darstellt, aber der Abspieler verfügt auch über eine Haube als Staubschutz bei eventuellem Nichtgebrauch.

Selbstverständlich sind The Police nicht die Einzigen, die sich auf dem Alva TT beweisen müssen. Da sich die Produktion der neuen LP von Bishop Briggs leider verzögert, konnte ich auf dem Konzert im Dezember diese leider nicht kaufen. Jedoch war im Gegensatz zu vielen anderen Live-Auftritten von Künstlern auch die Vorband ein echtes Erlebnis.

Ich hatte bis dato noch nie eine so ungewöhnliche Band wie Yoke Lore erleben dürfen. Sänger Adrian Galvin wird als Multi-Instrumentalist, Tänzer und Visual-Artist beschrieben und so lebendig war auch die Show. Ich hatte noch nie eine Kombination aus klassischen und elektrischen Schlagzeug erlebt, während Sänger Adrian sein Banjo stellenweise wie eine elektrische Gitarre malträtierte.

Und so erwarb ich nach dem Konzert zumindest die aktuellen EPs auf Vinyl. Und der Alva TT schafft es, die Stimmung des Konzerts sofort in mein Wohnzimmer zu zaubern. Allein der Song Body Parts ist trotz der ruhigen Gangart intensiv. Das Banjo klingt zum Greifen nah, dazu lässt mich die so einprägsame Gesangsstimme sofort wieder im Metropol in Berlin stehen. Die Scheibe macht wirklich Freude, die Pressung ist superb.

Wenn das Video gefällt, schaut ihr vielleicht einfach mal auf die Website von Yoke Lore:
https://www.yokelore.com/

 

Aber auch wirklich alte LPs klingen auf dem Alva TT einfach großartig. Meine seit 1978 im Regal stehende Parallel Lines von Blondie erlebt ihre erneute Wiederauferstehung. Auch wenn mein Vinyl 500 schon erstklassig aufspielt, so schafft es der Alva TT hier noch einmal mehr Tiefe und Dynamik aus der Rille zu holen. Das Album und insbesondere der Song Heart of Glass gelten als Klassiker des New Wave. Nicht umsonst katapultierte Debbie Harrys Stimme diesen Song über Wochen hinweg in die Charts. Allein die Lebendigkeit und Kraft, die der Plattendreher dem Album entlockt, sucht man bei mancher CD vergeblich – und bei einem Stream ohnehin, egal wie gut der auch sein mag.

 

Fazit:

Thomas Alva Edison wäre stolz auf Cambridge Audio. Hätte der geniale Erfinder heute einen Plattenspieler bauen dürfen, so hätte er dem Alva TT sicherlich geglichen wie ein Ei dem anderen. So steht zumindest stellvertretend der Name für den edlen Abspieler. Auch wenn 1.700,- Euro auf den ersten Blick ambitioniert klingt, so ist es eben die verbaute Technik, die diesen Preis auch rechtfertigt. Einen kraftvollen Direktantrieb, einen Tonarm von Reba und ein hochklassiges MC-System findet man eben nicht an jeder Ecke.

Muss man dennoch für einen Plattenspieler so viel Geld ausgeben, wenn zahlreiche andere Abspieler für unter 1000,- Euro angeboten werden? Die Frage darf sich natürlich jeder selbst beantworten. Wer aber genau dieses Mehr an Dynamik und Lebendigkeit aus seinen teuren Pressungen heraushören möchte, wer auf ein edles Design Wert legt oder wer sich schlicht von so vielen anderen abheben möchte, der findet im Cambridge Audio Alva TT genau seinen Plattenspieler.

 

 

Link zur Herstellerseite: Cambridge Audio Alva TT

Der Alva TT wurde getestet am:

 

weitere Tests von Cambridge Audio: