Hardwaretest: Naim Mu-so – Britischer Luxus für die Ohren

Naim ist Hi-Fi-Kennern schon seit vielen Jahren ein Begriff: Hochklassige Produkte, tolle Verarbeitung und ein einmaliger Sound sichert dem britischen Hersteller von CD Playern, Verstärkern oder Multiroom-Anlagen viele Fans weltweit. Bereits 1969 experimentiert Erfinder und Gründer Julian Vereker mit eigenen Verstärkerkonstruktionen, bis 1973 Naim Audio gegründet wird.

Es entwickelt sich eine über 40jährige Erfolgsstory, die mit zahlreichen Preisen belohnt wird und deren Höhepunkte momentan die exklusive Zusammenarbeit mit der englischen Traditionsautomarke Bentley und die Serie Statement sind. Produkte der Statement Serie bewegen sich im sechsstelligen Euro-Bereich. Für anspruchsvolle Einsteiger, die nicht gleich das hart Ersparte plündern wollen, trotzdem aber erstklassigen Sound erleben wollen, bietet Naim mit der Mu-so nun eine digitale High-End Komplettanlage für das Musikstreaming.

Unauffällig ist die Mu-so dabei nicht. Wuchtig im Aufbau, ist sie nichts für schmale Bücherregale. Ganz im Gegenteil: Die Mu-so will nicht nur gehört, sondern auch gesehen werden.

 

Ein solches Gerät zu verstecken wäre auch pures Understatement. Die Mu-so umgibt ein elegantes Gehäuse aus Aluminium, die asymmetrisch geformte Abdeckung an der Front fällt hingegen erst beim zweiten Hinschauen auf. Bildschön ist der ungewöhnliche Acrylglasboden mit dem dezent gefrästen Naim-Logo. Dieses wird beim Einschalten von fünf LED beleuchtet. Gewaltige Kühlrippen auf der Rückseite lassen erahnen, welche Technik im Inneren werkelt. Doch der Eyecatcher schlechthin ist der ungewöhnlich große und im Gehäuse bündig versenkte Drehregler. Schon vor dem ersten Ton kann man allein aufgrund des Designs erahnen, was da gleich auf einen zukommt.

Die Inbetriebnahme über Bluetooth ist dermaßen simpel, dass man fast glauben könnte, man hat etwas falsch gemacht. Aber einschalten und die Bluetooth-Verbindung über das iPad herstellen, ist eine Sache weniger Sekunden. Schon steht den ersten Klängen nichts mehr im Wege. Diese sind so beeindruckend, dass man doch zuerst ein wenig ungläubig auf die Mu-so starrt. Und so klickt man sich die ersten Stunden erst einmal durch seine Lieblingssongs, um Musik zu genießen.

Aber Empfang nur über Bluetooth wäre in dieser Preisklasse dann doch zu wenig. Daher stellt auch Naim der Mu-so eine App an die Seite. Allerdings ist die beigefügte Bedienungsanleitung zur Einrichtung über die App dann doch etwas dürftig. Es hat ewig gedauert bis wir verstanden haben, dass bei der Frage nach dem Licht nicht das des Drehreglers, sondern das der kleinen LED auf der rechten Seite der Mu-so gemeint ist. Wer von Anfang an alles richtig konfigurieren möchte, hält sich demnach besser an die übersichtlichere Online-Anleitung auf der Mu-so Website.

Entfernt man die Frontabdeckung, erhält man einen Blick auf die verbauten Boxen der Mu-so. Im Inneren sorgen je zwei, Hoch-, Mittel- und Tieftöner für den Klang. Insgesamt kommen alle zusammen auf 450 Watt Ausgangsleitung, das reicht auch, um größere Räume mit ausreichend Sound zu versorgen. Wer es im Wohnzimmer lieber bunt mag, kann neben der schwarzen Frontabdeckung auch auf drei farbige Alternativen setzen.

Klang kommt auf zahlreichen Wegen in die Mu-so. Musik wird heute gestreamt und so stehen mit AirPlay, Tidal und Spotify drei Möglichkeiten zur Verfügung. Hat man ausreichend Songs in seinem Heimnetzwerk gespeichert, beherrscht das britische Schmuckstück selbstverständlich auch den UPnP Standard (Universal Plug and Play) über LAN oder WLAN. Bluetooth nutzt den hochwertigen aptX Codec und wem das immer noch nicht reicht, der stöpselt einen lapidaren USB in den vorhandenen Eingang. Zu diesem USB-Eingang gesellen sich noch jeweils ein digitaler und ein analoger Eingang über Toslink oder 3,5 Millimeter Klinke. Mehr sollte es im Normalfall für die Musikbibliothek wirklich nicht brauchen. Wer noch mehr möchte, wird mit Sicherheit bei den zahlreichen Internet-Radiosendern fündig, denn auch das kann die Mu-so.

Mitgeliefert wird eine kleine Fernbedienung. Aber ehrlich, angefasst haben wir diese kaum. Denn die Steuerung über die App reicht aus der Ferne vollkommen aus. Man steht jedoch viel lieber auf, um den imposanten, kugelgelagerten Drehregler zu bedienen und sich dabei die LED- Beleuchtung anzuschauen. Dieser Drehregler ist optisch und haptisch allein eine Meisterleistung.

Um eines vorweg zu nehmen. Die Mu-so ist keine Box für zwischendurch. Man stellt sich die elegante Britin nicht ins Regal und hört beim Aufräumen oder dem Herumfingern auf dem Handy nebenbei Musik. Die Mu-so möchte beachtet werden und diese Beachtung verdient sie auch. Denn was nach der Einrichtung aus den Schallwandlern kommt, ist für eine Streaming-Box überragend. Und dabei fällt dann auch auf, dass es in der App keinen Equalizer gibt. Naim gibt den Klang vor, so wie man ihn sich dort vorstellt und hier genießt man ihn – Ende aller Diskussionen. Die einzigen Möglichkeiten Einfluss auf den Klang zu nehmen, sind die Entfernung zur Wand und die entsprechende Einstellung, sowie eine Loudness-Funktion.

Eine besondere Box verlangt besondere Songs. Und so haben wir uns einige Stücke ausgesucht, um uns wirklich ganz dem Klang widmen zu können. Man kann über Musik schreiben, aber wenn der Leser nicht weiß, was gemeint ist, bringt ein euphorischer Text wenig. Wir zeigen also zum Song auch ein Youtube-Video und hoffen, dass unsere Auswahl ansprechend ist.

Everglow – Cold Play

Everglow ist eines der heute seltenen Rock-Pop Stücke, die nur von Gesang und Klavier leben. Was Sänger Chris Martin hier vermittelt, mit welcher Leidenschaft der Song vorgetragen wird und was die Mu-so an die Ohren bringt, verursacht Gänsehaut. Jede Note, jede Passage klingt so, als wäre man live im Studio und würde vor dem Klavier und Chris Martin stehen. Einen Unterschied dessen, was im Studio aufgenommen und abgemischt wird und was die Mu-so letztendlich darstellt, wird es kaum geben.

The Sound of Silence – Disturbed

Eine der großartigsten Balladen aller Zeiten ist mit Sicherheit The Sound of Silence von Simon & Garfunkel . Aber es gibt immer jemanden, der Großartiges noch einmal verbessern und diesem eine persönliche Note verleihen kann. Allerdings gehört Sänger David Draiman der amerikanischen Metal Band Disturbed eher nicht zu denjenigen, denen man das auch zutrauen würde.
Wie Draiman aber in dieser Cover-Version die leisen Passagen wirken lässt, um dann bekannt kraftvoll zum Finale zu kommen, wie der ganze Song vom Klavier und den im Hintergrund aufspielenden Streichern begleitet wird, gehört zum Besten, was in den letzten Jahren ein Studio verlassen hat.
Die Mu-so bringt jede noch so rauchige Nuance der Stimme, jeden Anschlag des Klaviers und jedes Streichen einer Saite absolut perfekt an den Hörer.

Sternhagelvoll – In Extremo

Eine der musikalisch ungewöhnlichsten Bands ist In Extremo. Die Mischung aus Rock und Mittelalter füllt regelmäßig sämtliche Hallen und die Songs werden vom Publikum leidenschaftlich mitgeschmettert. Es macht hier einfach die Mischung aus bekannten E-Gitarren, Schlagzeug und Bass in Verbindung mit alten Instrumenten, die für den so eigenständigen Sound sorgen.
Der Song Sternhagelvoll ist seit 2016 eines der beliebtesten Stücke der Band. Hier spielen die gegensätzlichen Instrumente im perfekten Einklang miteinander. Dazu kommt die markant rauchige Stimme von Sänger Michael Rhein. Es ist faszinierend, wie auch der musikalische Laie vor der Mu-so in der Lage ist, die längst in Vergessenheit geratenen Instrumente Trumscheit, Schalmei oder Sackpfeife zu erkennen und das Zusammenspiel zu genießen.

Bei aller Freude über den hervorragenden Klang gibt es jedoch eine Einschränkung. Nur wenn man sich direkt vor der Mu-so befindet, kann diese auch ihr volles Potential ausschöpfen. Neben der Box lässt der Sound nach, je größer der Winkel zur Front wird.
Uns kam der Vergleich zum Blickwinkel eines TV: Je weiter außen man steht, desto weniger sieht man. So ähnlich verhält es sich auch mit der Box.

Musik kann die Mu-so also in allen Variationen. Aber schließlich verfügt sie auch über einen optischen Eingang. Was hindert uns also daran, statt eines CD-Players dort den TV anzuschließen und einfach mal zu schauen, ob die elegante Box nicht auch als Soundbar etwas taugt? Wir haben keine Ahnung, ob das jemals von Naim so vorgesehen war, aber wir probieren es einfach mal.

Klar, für eine Soundbar sind die Abmaße zu hoch. Aber bei einem Streifen wie Die glorreichen Sieben, der ohnehin im Kinoformat gesendet wird und daher oben und unten am TV schwarze Balken hat, fällt das eingeschränkte Sichtfeld des Bildschirms nicht auf. Und klangtechnisch überrascht die Box auch am TV, zumindest bei actionreichen Filmen.

Die finale Auseinandersetzung der glorreichen Sieben mit den Bösewichtern dauert etliche Minuten. Zahlreiche Schießereien und Explosionen bringen das Geschehen auch akustisch imposant an den Zuschauer. Die Mu-so kann zwar nur Stereo, aber das mit aller Macht. Vor dem Zuschauer erschafft sie eine herrlich breite Bühne mit toller Soundkulisse.

Aber wir treiben den Missbrauch der Box auf die Spitze und wenden uns noch unserer aktuellen Lieblingskonsole zu. Warum nicht auch Videospiele zocken und den Klang über die Mu-so ausgeben? Auf der Nintendo Switch ist seit einiger Zeit das Remake eines der besten Kampfspiele aller Zeiten erhältlich – Ultra Street Fighter II

Selbstverständlich ist die Mu-so mit einem Spiel hoffnungslos unterfordert, aber Spaß bringt es trotzdem, mit Ryu, Ken, Chun-Li und all den anderen wieder gegeneinander anzutreten, um sich virtuell so richtig auf die Glocke zu geben. Wer also stilvoll zocken möchte, findet in der Mu-so eine ebenso stilvolle Begleiterin.

Fazit:

Die Mu-so ist eine großartige High-End Box für den bedingungslosen Musikgenuss. Man muss sich einfach die Zeit nehmen, um sie kennen und schätzen zu lernen. Man muss sie sehen und anfassen, um die edlen Materialien zu verstehen. Und man wird sich immer wieder dabei ertappen die Lautstärke anzupassen, nur um noch einmal diesen fantastischen Drehregler bedienen zu können.

Der Klang ist über jede Kritik erhaben. Instrumente, Stimmen, einfach alles wirkt bei der Mu-so authentisch wie direkt aus dem Studio. Dabei macht sie keinen Unterschied, ob es sich um klassische Streicher oder elektronisch verstärkte Gitarren handelt. Alles klingt so, wie es klingen soll. Der Bass kommt dabei immer druckvoll, aber niemals übertrieben.

Ja, man bekommt für den Preis der Mu-so bei anderen Herstellern einen hochwertigen Receiver oder aber auch gleich ein vollständiges 5.1 System, aber das ist der Mu-so egal. Wer Wert auf guten Klang, hochwertige Verarbeitung und einfache Bedienung legt, schaut eben nicht immer auf den Preis.

 

Link zur Herstellerseite: Naim mu-so

weitere Hardwaretests: