Vor nicht allzu langer Zeit brachte man die Marke Philips nur mit den überragenden TV-Displays in Verbindung, HiFi war auch nach der Insolvenz der Gibson-Gruppe und der Übernahme der wieder eigenen Sparte noch Zukunftsmusik. Aber erstmals auf der Roadshow 2019 wurden auch wieder im damals noch ganz kleinen Rahmen Produkte in Sachen Klang vorgestellt. Seitdem hat sich Philips mit der Fidelio-Serie auch bei audiophilen Fans schnell einen Namen gemacht. Ich habe den neuen Philips Fidelio L3 jetzt seit einigen Tagen auf den Ohren und das Absetzen fällt mir schwer. Zu gut sind Klang und Design.
Erster Eindruck – vom Auspacken zum ersten Hören
Aber von vorn. Ein altes Sprichwort sagt, das Auge isst mit. So macht allein die aufwendige Verpackung beim Öffnen schon Appetit auf den Inhalt. Ist der bedruckte Umkarton entfernt, erwartet den Musik-Liebhaber eine weitere stabile Verpackung, sowie in deren Inneren eine Transporttasche aus feinem Kunstleder. Darin befindet sich neben einem weiteren Beutel, einigen Kabeln und einem Flugzeug-Adapter nun endlich das Objekt der Begierde. Der Philips Fidelio L3 besticht auf Anhieb durch seine Verarbeitung und sein schlichtes Design mit fast schon klassisch anmutenden, runden Ohrmuscheln. Der komplette Kopfhörer fühlt sich schon in den Händen einfach hochwertig an. Allerdings fällt auch sein Gewicht auf, mit später nachgemessenen 364 Gramm ist der Fidelio nicht unbedingt ein Leichtgewicht, allerdings vermittelt Gewicht auch immer Wertigkeit.
Ich habe jetzt noch keine Zeit und Lust, mich mit der Anleitung und der App zum Gerät zu beschäftigen, ich will Musik hören. Mit dem Drücken des Power-Buttons erfolgt die Kopplung mit dem Smartphone, die Verbindung steht sofort. Es ist nach der Vorfreude, dass ich den Fidelio L3 zugeschickt bekomme, nun an der Zeit, endlich Klang zu genießen. Ich habe eine spezielle Playlist in Master-Qualität auf Tidal >>>, in der ich besondere Songs speichere, die ich beim Test eines neuen Kopfhörers gerne würde hören wollen. Also startet der L3 mit Incubus und dem Song Our Love.
Ohne langes Vorspiel setzt die Melodie der Gitarre ein und kurz darauf spielt das Schlagzeug seine Takte, die sich im gesamten Kopfhörer verteilen, binnen Sekunden packt mich die Gänsehaut und ich gehe vollkommen im Stück auf. Musik ist eine so verdammt emotionale Angelegenheit. Und wenn die Stimme von Mike Einziger auch noch ihren ganz eigenen Rhythmus beisteuert, fange ich an, durch den Raum zu tanzen. Die Mischung aus Metal, Funk und auch Hip-Hop Elementen ist einzigartig und der Philips Fidelio L3 hat schon bei diesem ersten Song alle meine hoch gesteckten Erwartungen an ihn erfüllt. Die Gitarre kommt saitenweise so klar auch bei vollen Pegeln ans Ohr, dass es die pure Freude ist, die Mitten sind so herrlich ausgewogen. Dazu kommen ein Schlagzeug und ein Bass, die punktgenau und kraftvoll aufspielen. Die Natürlichkeit in der Wiedergabe ist schon jetzt der pure Genuss. Und das sind nur die Grundeinstellungen des Fidelio L3, die App beinhaltet sogar einen Synthesizer, um den Ton an die eigenen Vorlieben anzupassen.
Hochwertige Technik auch für draußen
Kopfhörer haben sich vom kostspieligen Spielzeug für audiophile Musik-Enthusiasten zu einem Alltagsprodukt entwickelt. Nahezu jedes Unternehmen, welches in irgendeiner Form Schallwandler entwickelt und produziert, hat in den letzten Jahren auch mehr oder weniger gute Kopfhörer mit ins eigene Portfolio aufgenommen. Das Angebot deckt dabei vom Blister-Pack-Headset im Discounter bis hin zur handgefertigten Sonder-Edition in limitierter Stückzahl alles ab, entsprechend sind die Qualität und auch die Preise. Der Fidelio L3 ist mit seiner verbauten Technik und den verwendeten Materialien mit Sicherheit kein Schnäppchen, aber für das was er leistet, dann wiederum doch. Zwei 40 Millimeter Treiber sorgen für den so ausgewogenen Klang, nicht umsonst ist der als High-Resolution Audio zertifizierte L3 als geschlossener Over-Ear Kopfhörer mit dem EISA-Award als Best Product im Bereich Wireless Headphones ausgezeichnet worden.
Eine weitere Technik hat sich in den letzten Jahren in den Vordergrund gespielt. Gerade kabellose Kopfhörer auch für den Gebrauch außerhalb der eigenen vier Wände glänzen heute mit ANC, welches die gröbsten, im Tieftonbereich angesiedelten Umweltgeräusche – in diesem Fall hauptsächlich Motorenlärm – außen vor lassen soll. Hierbei sorgen in den Hörmuscheln verbaute Mikrofone dafür, dass diese als Störung empfundenen Geräusche weitestgehend außen vor bleiben, indem ein per Chip erzeugter Algorithmus gegenläufigen Schall produziert und dieser und die Umweltgeräusche sich damit gegenseitig innerhalb der Ohrmuschel aufheben. Nervig wird es hingegen, wenn das ANC-typische Hintergrundrauschen zwischen zwei Songs dann aber allzu deutlich vernehmbar ist, weil der produzierte Gegenschall ungefiltert auf das Ohr trifft. Diese Technik funktioniert somit mal mehr, mal weniger gut.
Aber genau dieses ANC beherrscht der Fidelio L3 meiner Meinung nach wirklich fehlerfrei. Es ist so gut wie kein Rauschen zu vernehmen, der Klang behält selbst in der Bahn oder auf der Straße bei zugeschaltetem ANC seine Natürlichkeit. Denn im Fidelio L3 sind sowohl externe, als auch interne Mikrofone verbaut, um somit den größtmöglichen Effekt in der Filterung von Störgeräuschen erzielen. Diese funktionieren tatsächlich so gut, dass ich zu Hause beim Zubereiten eines Kaffees meinen Vollautomaten in Erwartung eines Fehlers anstarrte, weil eben weder Mahlwerk, noch Milchaufschäumer zu hören waren.
Verarbeitung und Steuerung vom Allerfeinsten
Ein Kopfhörer ist inzwischen auch immer mehr ein kleines Status-Symbol. Immer mehr Menschen verwenden außerhalb der eigenen Wohnung nicht mehr nur In-Ears für den Musik-Genuss unterwegs, immer häufiger sieht man nun überall wie selbstverständlich die früher noch belächelten Kopfhörer. Und man ertappt sich selbst dabei im Vorbeilaufen zu schauen, welches Modell das Gegenüber wohl gerade auf den Ohren trägt oder lässig um den Hals zu hängen hat?
Hier kommen dann Design und Verarbeitung ins Spiel. Der Fidelio L3 glänzt schon beim ersten Anschauen durch sein edles Äußeres, denn statt eines schlichten Bügels werden die Ohrmuscheln durch einen komplett umlaufenden, schwarzen und mattgebürsteten Aluminium-Rahmen gehalten. Das verleiht der Konstruktion offensichtlich nicht nur Stabilität, sondern auch das besondere Etwas – auffällig erst auf den zweiten Blick, aber optisch damit unfassbar ansprechend. Und erwartungsgemäß gibt es auch kein Knarzen in den Gelenken, die Ohrkapseln bewegen sich absolut geräuschlos.
Für den annähernd perfekten Komfort greift man bei Philips auf eine Mischung von Kunstleder für die Ohrmuscheln und feinstem schottischen Muirhead-Echtleder für die Mitte des Kopfbands zurück, welches auf dem Kopf aufliegt. Für dieses liegt sogar eine gesonderte Pflegeanleitung bei. Das Kopfband sitzt dabei straff, ohne jedoch zu drücken oder auch nach langer Tragezeit unangenehm zu werden. Durch die stabile und schwergängige Größenverstellung passt der L3 auch auf große Köpfe. Die Muscheln umschließen das Ohr vollständig, das verwendete Kunstleder ist so weich, dass auch Brillenträger keinerlei Probleme bei der Verwendung des Headsets haben. Bis hierhin ist der Fidelio L3 also großartig verarbeitet.
Was erst auf den zweiten Blick auffällt, sind die recht wenigen Knöpfe, die in den Unterseiten des L3 verbaut sind. Üblicherweise findet man zumeist in der rechten Kapsel eine große Wippe für Lautstärke und Titelsprung. Bei Philips geht man einen anderen Weg, denn gesteuert wird der Fidelio über Sensor-Tasten bzw. ein Touch-Bedienfeld. So wird durch Tippen auf das rechte Gehäuse ein Song pausiert oder wieder gestartet, Wischen nach oben und unten verändert die Lautstärke und von vorne nach hinten sorgt für einen Titelsprung.
Ich gebe zu, sonst kein wirklich großer Fan dieser Art der Steuerung zu sein, zu ungenau und schwammig erschien mir das bisher in anderen Headsets oder auch bei stationärer Elektronik. Doch bei Philips hat man offenbar die gestellten Hausaufgaben ernst genommen, denn das Touchfeld funktioniert einwandfrei. Was allerdings auffällt ist, dass sich die Lautstärke nicht stufenlos regeln lässt, sondern von einem Piepton angezeigt stufenweise angehoben oder gesenkt wird. Dennoch kann jeder, der schon einmal ein halbwegs aktuelles Smartphone in den Händen hatte, auch den Fidelio L3 fast intuitiv bedienen. Allerdings funktioniert die Steuerung nur im kabellosen Modus, hängt das Headset am Kabel, müssen die Einstellungen über den Zuspieler erfolgen.
Ein besonderes Gimmick, welches aber bei mir nicht immer zuverlässig funktionierte, ist die automatische Unterbrechung eines Songs durch einen internen Sensor, wenn der Kopfhörer abgenommen wird und die Fortsetzung, wenn der L3 wieder auf den Ohren sitzt. Leider schaltet sich das Headset teilweise auch ab, wenn man den Kopf zu schnell nach vorne neigt oder ein Song muss dann zur Fortsetzung manuell wieder angestoßen werden.
Verbindungen und Codecs für jeden Zweck
Für die immer mehr zu Hause vorhandenen Zuspieler wie Smartphones und Tablets reicht offenbar eine Bluetooth-Verbindung nicht mehr aus, es müssen nunmehr gleich deren zwei sein. Auch bei Philips schließt man sich diesem Trend an und spendiert dem Fidelio L3 eine solche Multipoint-Option. So kann ich also das Headset mit gleich zwei verschiedenen Zuspielern koppeln, der Wechsel erfolgt dann automatisch. Spiele ich auf dem Tablet eine Playlist und starte auf dem Handy ein Video, dann wechselt der Kopfhörer automatisch auf das Video. Wird dieses gestoppt, setzt sich die Musik meiner Playlist fort.
An Codecs kann der L3 einiges verarbeiten, wobei aber Android-User im Vorteil sind. Hier steht sogar aptX-HD zur Verfügung. Hierbei wird Musik in 24Bit/48 kHz gestreamt, ein Standard der nach Aussage von Entwickler Qualcomm sogar besseren Klang als eine CD bieten soll. Selbst Musik in Standardauflösung kann so zu einem besseren Klang verholfen werden. Wer mit der Anschaffung des L3 liebäugelt, sollte vielleicht auch gleich das Abo des entsprechend hochwertigen Streaming-Dienstes mit einplanen, sofern noch nicht geschehen. Philips selbst bietet deswegen zurzeit sogar das Angebot, beim Kauf des Fidelio L3 drei Monate Tidal HiFi gratis dazu zu erhalten.
Kling, Klang, du und ich …
… hallt es aus dem Fidelio L3, ein Keimzeit-Song aus längst vergangenen Tagen, der aber aufgrund der Vielfalt der Instrumente ein absolutes Muss auf dem Headset ist. Und Kling Klang macht es bei diesem Stück wirklich, denn der L3 bildet ein jedes Detail eines jeden Instruments harmonisch ab. Auch hier fällt wieder die Ausgewogenheit der gesamten Abstimmung auf, denn zu viele Kopfhörer neigen heutzutage dazu, dem Bass zu viel Raum einzuräumen. Das Ergebnis ist viel zu oft ein vollkommen verfälschtes Klangbild. Wenn man den gleichen Song über einen guten Stereo-Receiver mit entsprechenden Lautsprechern hört, ist der Unterschied stellenweise verblüffend – nämlich dass der Bass gar nicht so dominierend ist, wie es der Kopfhörer vermitteln möchte. Der L3 hält sich jedoch in der Tiefton-Wiedergabe vornehm zurück, ohne den Bass zu vernachlässigen – perfekt!
Was mich wirklich überrascht hat, war die Tiefe in zahlreichen Songs. Der Fidelio L3 bildet nicht nur ein hervorragendes Stereo-Bild ab, sondern vermittelt auch eine räumliche Anordnung aller Instrumente von vorn nach hinten. Gerade In Extremo mit ihrem brachialen Mittelalter-Rock sind ein Beispiel dafür, längst vergessene Instrumente wie die Marktsack-Pfeife – ähnlich einem Dudelsack – und treibende Gitarren miteinander zu kombinieren. Und hier habe ich einen jeden live erlebten Auftritt vor dem geistigen Auge, wenn nämlich beim Song Küss mich im Vordergrund die Gitarren aufspielen, aber im Hintergrund eben jene Pfeife für den unverwechselbaren Stil der Band sorgt. Der Fidelio L3 lässt mich abtauchen und die Vorfreude auf das durch Corona schon mehrfach verschobene Konzert 25 wahre Jahre – Carpe Noctum endlich im Juni des nächsten Jahres steigt ins Unermessliche.
Musikfilme sind Geschmackssache und dennoch hat mich kaum ein Film emotional so mitgenommen wie A Star is Born – was wahrscheinlich auch an dessen tragischen Ende liegt? Auch ohne Lady Gaga Fan zu sein, gehört ihr erster gemeinsamer Auftritt mit Bradley Cooper mit dem Song Shallow zu meinen ganz persönlichen Highlights als Film- und Musik-Liebhaber. Dieses saubere Gitarren-Intro ist schon großartig, aber im Moment der ersten Textzeile Tell me somethin‘, girl – Are you happy in this modern world? habe ich wieder den gesamten Film vor Augen. Und wenn dann noch die Violine aufspielt, hat mich der Fidelio L3 eingefangen. Auch bei diesem Instrument fällt wieder die Räumlichkeit in der Darstellung auf, weil dieses nur auf der linken Muschel scheinbar im Hintergrund erklingt. Meiner Meinung nach hat der L3 gerade in der Darstellung von Mitten seine ganz großen Stärken, denn ohne diese Wärme in den Stimmen, kann der Song seine Emotionalität kaum ausspielen.
Gibt`s da eine App für?
Kaum etwas ist heute nicht mehr mit einer App direkt anzusteuern, der Fidelio L3 bildet da keine Ausnahme. Wie eine wirklich gute App auszusehen hat, machte bisher Cambridge Audio mit der hauseigenen Melomania-App vor, die alles Wesentliche für die Bedienung und Einstellung von deren In-Ears beinhaltet. Die Philips-App steht dieser kaum nach. Übersichtlich präsentiert finden sich einige wenige Anzeigen und Einstellungen, darunter auch die für mich immer wichtige Restladung. Philips gibt eine Akku-Laufzeit von 38 Stunden ohne ANC und 32 Stunden mit zugeschaltetem ANC an, das ist ordentlich. Darunter lässt sich das ANC selbst einstellen, was allerdings auch über einen Button direkt am L3 funktioniert. Wer mit dem Klang in den Grundeinstellungen nicht zufrieden sein sollte, findet einen kleinen 6-Band Equalizer, der einige Voreinstellungen beinhaltet, aber auch eine persönliche Einstellung akzeptiert. Nach zahlreichen Stunden und Tagen des Tests bin ich tatsächlich in der originalen Sound-Einstellung des Headsets geblieben, da diese den für mich ausgewogensten Klang darstellt.
Fazit:
Der Philips Fidelio L3 ist mit zurzeit knapp über 300,-€ preislich im Mittelfeld angesiedelt, klanglich und mit seiner Verarbeitung liegt er jedoch weit darüber. Dazu kommen technische Feinheiten wie doppeltes Bluetooth, Touchfeld-Bedienung und eine App, die diesen Namen auch zurecht trägt. Der Tragekomfort auch über Stunden ist trotz des vielleicht ungewohnten höheren Gewichts immer gegeben, die weichen Polster am Kopfband und auf den Ohrmuscheln sorgen für ein stets angenehmes Gefühl beim Tragen.
Der Klang ist herrlich ausgewogen, damit unterscheidet sich der Fidelio L3 von so vielen anderen Produkten. Entgegen vieler Hörgewohnheiten ist der Bass nicht wirklich der Maßstab für einen guten Kopfhörer. Hier ist der L3 eine der inzwischen wenigen Ausnahmen vom Mainstream, auch wenn sich in der App natürlich auch der Tiefton in die Höhe schrauben lässt. Ebenso funktioniert das ANC gut, damit ergibt sich ein rundum-sorglos-Paket für sowohl den Gebrauch zu Hause, als auch unterwegs – unbedingt anhören!
Link zum Hersteller: Philips Fidelio L3