Früher war alles besser … oder auch nicht. Habe ich in längst vergangenen Zeiten teilweise wochenlang auf den Release eines SNES- oder Mega Drive Titels gewartet, indem ich in unregelmäßigen Abständen ins Kaufhaus gepilgert bin, kann ich heute eigentlich gar nicht so viel Geld und vor allem Zeit aufbringen, um alles zu spielen, was mir der Handel vor die Füße wirft.
Dutzende Spiele erscheinen fast im Wochentakt und Publisher sprießen wie die sprichwörtlichen Pilze aus dem Boden, jeder möchte seinen Anteil vom Kuchen haben. War es früher der gesunde Konkurrenzkampf zwischen Sega und Nintendo, haben sich mit Microsoft, Sony und Nintendo nun drei Player etabliert. Und auch der PC spielt eine gewaltige Rolle im Spielesegment, nicht zu vergessen diverse Online-Games und der boomende Markt der Handy-Games.
Dass es bei einem solchen Überangebot an Software auch eine Menge Müll gibt, liegt in der Natur der Sache, Quantität schließt Qualität zumindest hier einfach aus. Selbst Omas und Opas wissen heute, was ein DS ist und stehen zu Geburtstagen der Enkel oder im Weihnachtsgeschäft hilflos vor den Händler-Regalen und vergleichen Wunschzettel mit Auslagen. So hoffnungslos überfordert wird letztendlich gekauft, was ein buntes Bildchen hat, einen großen Namen hat, oder kindgerecht aussieht. Dadurch bleibt gute oder intelligente Software zu häufig in den Regalen liegen und der Produzent drittklassiger Ware sieht sich durch Verkaufszahlen bestätigt, weiter drittklassige Ware zu produzieren. Schlimmstes Beispiel 2010 ist für mich SevenOne Intermedia, die mit Billigsoftware, aber bekannten Namen wie Galileo und dem gleichnamigen Family Quiz, den Markt regelrecht verseuchen. Die momentane Entwicklung erinnert mich frappierend an das Atari VCS. Jeder, der einen Computer hatte und Pixel anordnen konnte, hat Massenware auf den Markt geworfen und dann folgte der große Knall, Auslöser war hier wohl ET – Der Außerirdische. Der Spieler war satt und das Thema Videospiele war für Jahre bis zum Erscheinen des NES und des Master Systems vom Tisch. Hoffentlich steht uns nicht irgendwann eine ähnliche Entwicklung vor der Tür. Aber wenn das die Entwickler nicht schaffen, den Markt zu sprengen, wird es der Gesetzgeber mit unsinnigen Jugendschutz-Gedanken und Debatten voller unausgegorener Worthülsen und Phrasen schon richten.
So haben unsere indirekt gewählten „Volksvertreter“ zwar keine Ahnung von der Materie, aber dass das Internet im Allgemeinen und Videospiele insbesondere böse sind und ihre steuerzahlenden Untertanen zu Mordwerkzeugen mutieren lassen, hat ihnen die Boulevard-Presse mit zynischen oder schlecht recherchierten Beiträgen unmissverständlich klar gemacht. Einige unerträgliche wie verabscheuungswürdige Amokläufe geistig ohnehin Verwirrter haben zugegebenermaßen zu Recht auch ihren Anteil an der vorherrschenden Meinung unserer Politiker und runden damit das Stimmungsbild zu Videospielen nach unten ab. Nichtsdestotrotz kann ein Spiel niemals allein der Auslöser sein. Zu viele soziale Komponenten wie zum Beispiel eine nicht mehr zeitgemäße Bildungs- oder eine verfehlte Integrationspolitik tragen hier ihren Anteil am Gesamtbild. Über weitere geistige Fehlleistungen und Verbalergüsse der Damen und Herren an den Hebeln der Macht möchte ich mich aber an dieser Stelle nicht weiter auslassen. Meine Befürchtung ist, dass Deutschland für den Videospiel-produzierenden Teil der Wirtschaft auf Dauer ein grauer Fleck auf der Landkarte sein wird, da sich die politisch gewünschten regionalen Umsetzungen nicht mehr kostengünstig an die deutschen Spieler anpassen lassen. Vielleicht muss Mario irgendwann ein Teelicht entzünden, wenn er auf einen Koopa gehüpft ist, oder deutsche Spieler dürfen in Call of Duty nur Blauhelm-Missionen angehen und erst nach Rücksprache mit einem Amerikaner in der Lobby zur Waffe greifen?
Egal wie, selten haben so viele Spiele den Weg in eine meiner Konsolen gefunden, wie in diesem Jahr. Allerdings habe ich kaum die Zeit gefunden, bei auch nur einem Bruchteil dieser Spiele den Abspann bewundern zu dürfen. Sollte ich meinen persönlichen Top-Titel des Jahres 2010 benennen müssen, so hätte ich allein schon aufgrund der Masse an Titeln Schwierigkeiten, hier ein bestimmtes Spiel zu wählen. Deswegen lasse ich mal meine Highlights Revue passieren.
Heavy Rain gehört ganz sicher zu einem der Titel, die das Jahr mit einem Knall eingeläutet haben. Auch wenn es sich bei dem Spiel letztlich „nur“ um einen Aufguss von Dragons Lair handelte, da Quick-Time Events nicht wirklich etwas Neues sind, war das Spiel an Spannung und Wendungen in der Handlung ein echtes Abenteuer. Verschiedene Enden in verschiedenen Handlungssträngen rundeten das Ganze für mich ab und ließen mich Heavy Rain auch aufgrund der recht kurzen Spielzeit von nur ca. 10 Stunden zweimal durchspielen.
Als Lego und Harry Potter Fan habe ich mich auf das entsprechende Spiel gefreut und wurde nicht enttäuscht. Lego Harry Potter- Die Jahre 1-4 bot alles, was Lego an der Konsole auszeichnet, nämlich Hüpfen bis der Arzt kommt, alle Charaktere freispielen und somit alle Geheimnisse von Schloss Hogwarts zu erkunden und zu lösen.
Das etwas andere Rennspiel war Blur. Als eine Art Mario Kart für Erwachsene ging es hier nicht nur darum Rennen zu gewinnen, sondern auch zahlreiche Gegner stilecht per Raketen oder Minen zu schrotten. Reichlich Fahrzeuge, coole Strecken und ein mehr als gelungener Online-Modus haben mich Stunden an der Konsole verbringen lassen.
Und beim Thema realistisches Rennspiel kann es in diesem Jahr nur einen geben: Gran Turismo 5. Nach Jahren der Ankündigungen, Verschiebungen und immer wieder Bröckchen an neuen Infos stand der Titel vollkommen unerwartet nun doch im November in den Regalen. Allerdings sieht fertig anders aus, aber ich schätze, dass Sony mit Hr. Yamauchi langsam der Kragen geplatzt ist und das Spiel zum Weihnachtsgeschäft im Handel haben wollte. Nun wird der Titel eben beim Endverbraucher zu Ende gepatcht und ein ellenlanges Update jagt das nächste. Trotz allem der Titel für die PS3.
Mindestens ebenso lange angekündigt, aber als fertiges Produkt landete Alan Wake beim Kunden. Da ich ein eher sanftes Gemüt habe, konnte ich diesen Titel weder allein, noch im Dunkeln spielen 😉 So hatten die bessere Hälfte und ich gemeinsam Spaß am Gruseln und auf der Flucht vor dunklen Schatten. Und die Idee, einen Protagonisten mit einer Taschenlampe zu bewaffnen und ihn dafür Batterien suchen zu lassen, hatte etwas vollkommen Neues, auch wenn natürlich mit Waffen hantiert werden durfte.
Das Jahr fand mit einem Remake einen krönenden Abschluss. Donkey Kong Country Returns gehört wohl zu den schwersten Spielen seit der Ära der Jump`n`Runs auf 16-Bit Konsolen. War der Titel auf dem SNES schon ein Brett, steht die Version von 2010 diesem in nichts nach. Fasskanonen und Lorenfahrten haben auch 16 Jahre später nichts von ihrer Spannung eingebüßt und machen noch heute schweißnasse Hände. Aber das Spiel ist wirklich nur etwas für Gemütsmenschen oder Profis.
Über die Titel, über die man besser nicht spricht, spreche bzw. schreibe ich hier auch nichts. Zu viele Standard-Software nach dem immer gleichen Schema-F wird uns auch in 2011 nicht erspart bleiben. So bleibt also zu hoffen, dass sich der Markt ein wenig bereinigt und die Leute nicht alles kaufen, was ihnen zum Fressen vorgesetzt wird. Ab und an ein wenig Info schadet nicht und erspart ärgerliche Fehleinkäufe, aber ich denke, hier werde ich weiter träumen dürfen.