Ich bin Philips-Fan, seit man dort das großartige Ambilight für die TV-Geräte nicht nur erfunden, sondern Jahr für Jahr kontinuierlich verbessert hat. Aber nur ein paar bunte LEDs hinter einen TV zu flanschen, hätte wahrscheinlich niemanden überzeugt, wenn man nicht auch einwandfreie TVs würde abliefern. Doch nicht nur in Sachen Bild spielt Philips groß auf, seit wenigen Jahren ist man auch wieder im Audio-Bereich tätig und setzt auch hier Maßstäbe. Der Bluetooth-Kopfhörer Fidelio L3 oder die neue Soundbar Fidelio FB1 hinterlassen Eindruck. Der L3 gehört noch immer zu meinen Lieblingskopfhörern, wenn ich unterwegs bin. Daher war ich umso gespannter, was Philips nun im Gaming-Bereich mit dem Philips TAG5106 so anzubieten hat?
Die erste Pressemitteilung aus dem November letzten Jahres las sich recht vernünftig und da hier regelmäßig Gaming-Headsets durch die Redaktion gereicht werden, musste natürlich auch das TAG5106 für einen Test her. Was sich anhand der Fotos bereits ankündigte, bestätigt sich dann auch direkt beim Auspacken. Philips möchte mit diesem Headset den jüngeren Gamer abholen, der auf das unter Gamern vermeintlich ungewöhnliche Design steht, aber nicht allzu tief in die Tasche greifen kann, weil das Taschengeld eben nicht so üppig fließt.
Nun gibt es bei Gaming-Headsets eine unfassbar breite Produktpalette an verfügbaren Geräten. Da machen sich Hersteller wirklich intensiv Gedanken, welche Ansprüche ein Gaming-Headset wirklich erfüllen muss und für wen ich das konzipiere? Will ich den Profi abholen, der tatsächlich auf jeden noch so marginalen Sound Wert legt und bei dem die Kommunikation mit dem Team essentiell ist oder baue ich einen Kopfhörer, mit dem der ambitionierte Gamer zu Hause glücklich wird?
Welches Design soll es sein? Wähle ich da eher die klassische Schiene und nutze meine vorhandene Erfahrung aus dem HiFi-Bereich wie bei Audeze oder Audio-Technica oder wähle ich den Schritt in Richtung „wie sich der Designer bei nicht vorhandenem Budget den Gamer vorstellt“? Was kann ich klanglich leisten? Gehe ich in den audiophilen Bereich mit einwandfreien Soundeffekten oder reichen simple, krachende Bässe aus, um dem Gamer zufrieden zu stellen? Es ist also keine leichte Entscheidung, wenn man sich als Hersteller im Markt mit einem neuen Gaming-Headset aufstellen möchte.
Bei Philips hat man sich also dafür entschieden, ein Headset anzubieten, welches groß und klobig daherkommt, mit Ecken und Kanten aufwartet und obendrein noch eine bunte LED-Leiste bietet – was ja nicht verwunderlich ist, da ja Philips vor Jahren die LED erfunden und etabliert hat. Nun halte ich also diesen Klotz von einem Gaming-Kopfhörer in den Fingern und bin vom Aussehen hin- und hergerissen. In meiner Altersklasse bin ich eigentlich raus aus dieser Art von Design. Ich lege Wert auf Klang, der mich in meinen Solo-Kampagnen auch akustisch in das Spiel abtauchen lässt und mir die Umgebung, die ich auf dem Bildschirm sehe, auch auf die Ohren bringt. Also lasse ich die ungewöhnliche Optik einfach mal außen vor und konzentriere mich auf das Wesentliche, nämlich Verarbeitung und Klang.
Das erste Aufsetzen überrascht dann, ich hatte einen Sitz erwartet, der dem klotzigen Aussehen nahekommt. Aber weit gefehlt. Auf meinen bundesdeutschen Standardkopf passt das TAG5106 auf Anhieb, das weiche Kopfband sorgt für einen angenehmen Sitz auf dem Kopf. Da drückt nichts und selbst nach einer gut einstündigen ersten Session bestätigt sich der gute erste Eindruck. Ein Einstellen ist aufgrund des beweglichen Innenbandes nicht nötig, der Sitz passt sich dem Kopf automatisch an. Trotz der Ohrmuscheln im Format Hexagon sitzen auch die Polster mit angenehmen Druck seitlich des Kopfes. Klar, das ist preiswertes Kunstleder und atmungsaktiv ist bei einem geschlossenen Gaming-Headset ohnehin nicht, aber das TAG5106 sitzt. Wenn man etwas quengeln möchte, dann sind es die im gewaltigen Plastikrahmen eingelassenen Ohrmuscheln, die sich nur waagerecht, aber nicht auch horizontal bewegen lassen.
Wichtig bei einem Kopfhörer für Gamer ist die schnelle und genaue Erreichbarkeit von Knöpfen. Ich will beim Zocken nicht erst umständlich nach dem Button für Lautstärke oder Mute suchen müssen. Also hat man sich bei Philips dazu entschieden, alle Funktionen gleichmäßig auf beide Muscheln zu verteilen und diese so anzubringen, dass man mit dem Daumen hinter dem Ohr sofort alle Elemente griffbereit hat. Das mag beim Design vielleicht nicht wirklich hochwertig wirken, beim Spielen jedoch sind große und gut fühlbare Buttons mit gutem Druckpunkt ein wichtiges Kriterium. All das liefert der Philips. Auch wenn der gesamte Aufbau aus Kunststoff daherkommt, so ist die gesamte Verarbeitung für ein Headset in dieser Preisklasse wirklich vernünftig, da quietscht oder knarzt nichts.
Auch technisch hat man sich bei Philips bemüht, so viel wie möglich Qualität im Plastik unterzubringen. Da sind zum einen die großen 50 Millimeter Treiber und zum anderen die sowohl kabellose als auch kabelgebundene Verbindung zu Konsole oder PC. Nutzt man das die 2,4 GHz Verbindung, steht dafür ein USB-Dongle zur Verfügung, welches an PC oder PS5 gesteckt wird. Da Microsoft noch immer keine USB-Headsets zulässt, muss hier die Klinkenverbindung am Joypad der Xbox genutzt werden. Wer sich Musik über das Handy zuführen will, nutzt das dafür vorhandene Bluetooth.
Das TAG5106 deckt den klassischen Frequenzbereich von 20 – 20.000 Hz ab und bietet eine Impedanz von 32 Ohm. Was mich allerdings barbarisch nervt, sind Werbesprüche aus der Pressemitteilung. Was hat eine für mich als Träger nicht sichtbare LED-Beleuchtung mit einem dynamischeren Spielerlebnis zu tun? Nur weil etwas auf den Ohren blinkt und leuchtet, macht das mein Erlebnis nicht dynamisch.
Aber all das ist nebensächlich, wenn es um das Wichtigste geht. Jedes Headset, egal ob Audiophil oder Gaming muss sich an seinem Klang messen lassen. Da ich seit je her Konsolenspieler bin, habe ich das TAG5106 an der PS5 und der Xbox Series X getestet, der PC und die damit einhergehende Software für DTS Headphone:X 2.0 Surround-Sound bleibt also außen vor. Und hier merkt man dem Philips TAG5106 seine nicht ganz 100€ Preis dann doch an. Egal welches Game ich auch gespielt habe, mir mangelt es durchgängig an Lautstärke und Dynamik gerade im Tieftonbereich. Die in der Pressemitteilung versprochene optimierte Basswiedergabe findet schlichtweg nicht statt. Obendrein klingt alles dumpf, ich hatte stets den Eindruck, hier liegt noch irgendeine Schutzschicht über den Treibern und der Klang kann sich nicht frei entfalten.
Dabei macht das Headset gerade im Stereo-Bereich einen wirklich guten Eindruck. Der Klang verteilt sich auf einer dem Spiel angepassten, recht breiten Bühne. Da merkt man dann dem TAG5106 doch vielleicht seine Herkunft aus der Audio-Abteilung an. Und auch das aktivierte 3D-Audio der PS5 hinterlässt einen guten Eindruck auf dem kleinen Gaming-Kopfhörer. Aber all das nützt eben wenig, wenn der Klang durch die Bank weg kraftlos und gedämpft klingt.
Wie formulierte es der Produktmanager für IT-Zubehör bei Philips, Ilkan Reyhanoglu? „Die Gamer von heute sind auf der Suche nach Headsets, die halten, was sie versprechen.“ Es stellt sich also die Frage, was das Philips TAG5106 außer Werbesprech eigentlich verspricht? Die angegebene opulente und präzise Geräuschkulisse trifft es nur bedingt, bleibt also noch das Mikrofon. Auch hier bietet sich ein ähnliches Bild. Die Verarbeitung ist klasse, der gummierte Mikrofonarm lässt sich stufenlos in der Horizontalen bewegen, aber es hat eben auch Schwächen beim Klang. Der Klang kommt beim Mitspieler nicht so klar an, wie es eben Headsets der Marktbegleiter bieten.
Fazit:
Ist man knallhart in seiner Bewertung, ist der Philips TAG5106 ein eher durchschnittlicher Gaming-Kopfhörer, der im wichtigsten Kriterium, nämlich dem Klang, noch reichlich Luft nach oben hat. Zu dumpf, zu leise und zu wenig Dynamik im Tieftonbereich sind nicht wirklich das, was der Gamer von heute sucht. Dazu kommt ein gewöhnungsbedürftiges Design, das jedes Klischee dessen erfüllt, was sich der Außenstehende unter einem Gaming-Headset vorstellt.
Und dennoch wird das Headset seine Fans gerade bei den jüngeren Gamern finden. Das liegt zum einen gerade an diesem ungewöhnlich kantigen Design und zum anderen an einem Preis von nur 99€, der eben bei vielen ins Budget passt. Allerdings wird Philips es nach momentanen Stand schwer haben, an die Etablierten heranzureichen. Dafür hätte man sich mit außergewöhnlicher Qualität mehr strecken müssen. Aber das TAG5106 ist einer der ersten Versuche, auch beim Gaming Fuß zu fassen. Man hat also noch viel Zeit, zukünftige Geräte in den genannten Kriterien zu verbessern.
Link zum Hersteller: Philips TAG5106