Im letzten Jahr startete Yamaha einen ersten Versuch, sich endlich auch mit In-Ear Kopfhörern am Markt zu etablieren. Die TW-E3A waren allerdings nichts wirklich Besonderes und gingen so im inzwischen fast unüberschaubaren Angebot der zahlreichen In-Ears einfach unter. Nun startet man in diesem Jahr mit den neuen Yamaha TW-E5B einen neuen Anlauf und versucht verloren gegangenen Boden wieder gutzumachen. Leider wird das aber auch mit dem neuen Set nicht gelingen.
Ausgeliefert werden die TW-E5B in einer klassischen Pappschachtel und bei Yamaha hat man sich offenbar der Kritik des letzten Jahres angenommen, denn auch das komplette Innenleben besteht nicht mehr aus Plastik, sondern aus Recycling-Karton. Auch der Quick-Start-Guide wurde nun verändert, statt eines mehrfach gefalteten Papiers gigantischen Formats liegt ein mit Bildern bedrucktes Blatt bei, welches übersichtlich gestaltet ist. Auch wenn das Bluetooth-Pairing heute keine Zauberei mehr ist, so führt der Guide auch Anfänger Schritt für Schritt durch den Verbindungsvorgang.
Optisch ungewöhnlich schick
Das Objekt der Begierde sind aber die neuen Yamaha TW-E5B. Diese werden in vier Farben angeboten, ich habe hier das klassische Set in Schwarz mit dezentem Aufdruck in Kupfer zu liegen. Die Zeiten runder Ohrstecker, die man sich mit Kraft ins Ohr pfriemeln musste, sind lange vorbei. Heute versuchen viele Hersteller auf die Form des Ohres einzugehen, um einen möglichst perfekten Sitz der Kopfhörer zu gewährleisten. Dabei sind meine Melomania Touch für mich noch heute das Maß der Dinge, weshalb ich die bei längeren Touren immer wieder gerne höre. Auch bei Yamaha hat man sich dieses Jahr offenbar mehr Gedanken über eine gute Passform gemacht.
Waren die letztjährigen E3A noch knubbelig und passten irgendwie nicht richtig, so hat man sich dieses Jahr mit den TW-E5B nicht nur der Technik, sondern auch der Passform angenommen. Die Optik beim Öffnen des Ladecase überrascht dann augenblicklich positiv, denn so markant tropfenförmig gab es bisher wohl kaum einen In Ear Kopfhörer. Zumindest optisch wirkt der TW-E5B sofort ansprechend und sieht beim Gebrauch nicht aus wie ein Legostein im Ohr. Allerdings steckt viel Technik in dem kleinen Stecker, die auch untergebracht werden muss. Erst das seitliche Profil macht deutlich, wie tief und umfangreich die Ohrhörer tatsächlich konstruiert sind.
Und wie bei jedem In Ear entscheidet die Passform über den Klang. Steckt ein solcher Kopfhörer nicht möglichst genau im Gehörgang, leidet darunter immer die Qualität des Sounds. Yamaha zeigt deshalb schon auf der Website, wie die TW-E5B richtig ins Ohr eingesetzt werden. Wer dann immer noch Probleme mit dem Sitz hat, tauscht ganz einfach die Silikon-Stecker aus. Mitgeliefert werden vier Paar in verschiedenen Größen, allerdings sparen mir zu viele gerade namhafte Hersteller hier am falschen Ende. Ist es denn wirklich so schwer oder teuer, ein entsprechendes Paar Comply-Schaumadapter für den perfekten Sitz mitzuliefern, wie wir diese beim Test der Shure Aonic Free vorgefunden haben?
Technik neu konzipiert?
Verbaut sind in den TW-E5B dynamische 7 Millimeter Treiber, was recht viel erscheint, wenn man sich die Bauform von In-Ear Kopfhörern anschaut. Gerade die ungewöhnliche Tropfenform soll den Luftstrom innerhalb des Gehäuses optimieren, um so einen beeindruckenden Klang zu ermöglichen. Für die Verbindung zur Quelle des guten Tons sorgt Bluetooth 5.2, als Codec auch für AAC und SBC dient Qualcomm aptX Adaptive Audio. Also technisch beste Voraussetzungen für den typisch guten Yamaha Sound.
Das Hauptaugenmerk liegt aber auf der Gesundheit des Trägers. Statt also die Pegel bis auf Anschlag hochzudrehen und so seine Trommelfelle einer dauerhaften Belastung auszusetzen, vertraut man bei Yamaha wie schon beim Vorgänger auf Listening Care. Diese Technik basiert auf einer intelligenten Nutzung des Equalizers, der auch bei geringer Lautstärke den besten Frequenzbereich ermöglichen soll. Statt also die Laustärke in die Höhe zu schrauben, übernimmt hier ein Automatismus, um dem Hörer alle Frequenzen schon bei niedrigen Pegeln möglichst perfekt ans Ohr zu liefern.
Weitere technische Feinheiten sind Ambient Sound und Qualcomm cVc. Diese Abkürzung steht für Clear Voice Capture und soll für noch einmal eine verbesserte Sprachqualität bei Telefonaten sorgen, während gleichzeitig Geräusche und die gefürchteten Echos unterdrückt werden. Ambient Sound sorgt für die Sicherheit des Trägers, wenn man die TW-E5B außerhalb der eigenen vier Wände trägt. Dieser Modus lässt Geräusche von außerhalb trotzdem an die Ohren. Aktive Geräuschunterdrückung funktioniert nicht nur in die eine Richtung, sondern auch in die andere, in dem wichtige Geräusche trotz der Lieblingsplaylist trotzdem an das Ohr des Hörers dringen. Für Menschen, die auf dem Handy spielen und auch das eine oder andere Video schauen ist mit Sicherheit der Gaming-Modus wichtig, da dieser die Latenz zwischen Bild und Ton auf ein Minimum reduziert.
Die Steuerung der TW-E5B ist simpel und eingängig gehalten. Auf dem rechten Stecker befinden sich zwei Schalter, die für Lautstärke und Titelsprung zuständig sind, auf dem linken Stecker pausiert man Songs oder schaltet den Ambient Sound ab oder hinzu. Leider wird dies aber nur durch einen Signalton angezeigt. Auf der Straße experimentiert man nun, ob der Ambient Sound aktiviert ist oder eben nicht. Für den Gebrauch auch bei feuchtem Wetter sind die In-Ears nach dem IPX5-Standard zertifiziert und damit resistent gegen Schweiß und Spritzwasser.
Yamaha gibt an, dass die bereits für die anderen Kopfhörer-Modelle wie den YH-L700A, den YH-E700A oder eben die TW-E3A verfügbare App auch mit den neuen TW-E5B arbeitet. Leider ist dies (noch) nicht der Fall. Entweder habe ich das Testmuster vor der Aktualisierung der App erhalten oder aber die sind dafür nicht vorgesehen? Fakt ist, dass das hier getestete Modell bisher nicht in der App aufgeführt wird, geschweige denn sich verbindet. Dies ist allerdings kein echtes Problem, wenn Yamaha nicht auch die App grundlegend überarbeitet hat. Denn bis auf den Batterie-Stand und ein Firmware-Update gab diese nicht viel her. Die Akkulaufzeit beträgt mit zugeschaltetem Ambient Sound knapp acht Stunden, aufgeladen werden die Kopfhörer bis zu vier Mal im Case. Das reicht also auch für längere Fahrten in Bus oder Bahn.
Und wie klingen die nun?
Meine Erwartungshaltung ist bei Technik von Yamaha immer sehr hoch. Ich durfte im Laufe der letzten Jahre viel High End des Unternehmens testen und war stets wirklich angetan von Design, Technik und dem typischen Yamaha-Klang. Meine erste wirkliche Enttäuschung war der Vorgänger der hier getesteten In-Ears, die TW-E3A ließen es fast durchweg an Dynamik mangeln. Also erwarte ich nun nach einem Jahr eigentlich eine grundlegende Verbesserung.
Ich stecke die TW-E5B gemäß Anleitung ins Ohr, aber die Steckergröße M ist mir schon beim Anpassen zu groß. Also wird hier mit ein wenig Fummelei auf die kleinste Größe S gewechselt und schon passen die In-Ears bei weitem besser. Die Verbindung zu Tidal und Spotify steht, es wird Zeit für die ersten Songs. Doch schon nach wenigen Klängen habe ich ein Déjà-vu. Habe ich wirklich die TW-E5B in den Ohren oder habe ich doch zu den letztjährigen E3A gegriffen? Ein kurzer Griff ans Ohr bestätigt, dass ich die richtigen Kopfhörer eingesetzt habe, allerdings erinnert mich der Klang frappierend an den Vorgänger.
Aber gut, vielleicht liegt es an der Playlist oder der Song I Never Say Goodnight von The Baboon Show ist nicht wirklich Headset-tauglich. Also auf zum nächsten Stück, The Hills von The Faim muss sich beweisen. Aber auch hier ergibt sich ein ähnliches Bild. Das ganze System gibt bei den ersten Tönen ein gutes Stereo-Bild ab, aber es mangelt durchweg in der Klangtiefe. Während man die Gitarrensounds noch als klar definieren kann, verschwindet das Schlagzeug fast durchgängig im Hintergrund. Die Bühne hinterlässt den Eindruck einer unendlichen räumlichen Tiefe, bei der der Drummer nach hinten an die Wand gesetzt wird. Und auch der Gesangsstimme, egal ob männlich oder weiblich, fehlt es an Intensität. Stellen andere In-Ears viel zu häufig den Bass in den Vordergrund, so scheint der TW-E5B kaum über einen solchen zu verfügen. Das mag bei der Abstimmung des Systems so gepasst haben und damit stimmig zum gesamten Klangbild sein, aber gerade bei The Police möchte ich schon hören, wie Sting sein Instrument beherrscht. Noch deutlicher wird das bei The Chain von Fleetwood Mac. Ab Minute 3:00 hat der Bass hier ein kurzes Solo, welches mich ansonsten regelmäßig fesselt. Auf den TW-E5B zieht diese Passage schlicht ungerührt am Hörer vorbei.
Um auszuschließen, dass ich heute schlecht geschlafen habe und meine Ohren noch nicht wirklich wach sind, nehme ich zahlreiche andere Sets von hier getesteten In-Ear Kopfhörern zur Hand und vergleiche diese mit den Yamahas. Aber ich kann es drehen und wenden wie ich mag, den TW-E5B fehlt es trotz aller Spielfreude und Genauigkeit an der Kraft, um Musik emotional werden zu lassen. Ich habe das Gefühl, ich habe die Stecker nicht in, sondern vor den Ohren. Vergleicht man die Yamahas mit den hervorragenden Shure Aonic Free, die beide in der gleichen Preisklasse spielen, fällt der TW-E5B hier klar ab.
Und auch den Ambient Sound kann ich nicht wirklich definieren. Egal welche Einstellung ich wähle, der Sound ändert sich nur marginal und Geräusche von außen dringen genauso gut oder schlecht ans Ohr. Da mir die App noch nicht zur Verfügung steht, kann ich den vermutlich dort integrierten Gaming-Modus hier nicht testen. Erfreulich ist die Qualität beim Telefonieren. Die Sprachqualität und Verständlichkeit ist in beide Richtungen einwandfrei, egal ob man sich in den eigenen vier Wänden oder auf belebten Plätzen mit zahlreichen Umgebungsgeräuschen befindet.
Fazit:
Yamaha hat leider die nächste Chance auf einen sehr guten In-Ear Kopfhörer erneut vertan. Um sich im gewaltigen Markt der zahlreichen Kopfhörer nicht nur behaupten zu können, sondern dort erst einmal wirklich anzukommen, muss man sich noch mehr zur Decke strecken, als die bereits etablierten Marken. Und das noch mehr, wenn man schon im letzten Jahr keinen wirklich guten In-Ear hat platzieren können.
Nun mag meine Erwartungshaltung sehr hoch gewesen sein, gerade weil ich auch privat viel Technik von Yamaha im Einsatz habe, aber leider hat mich der TW-E5B von Anfang an nicht hundertprozentig mitgenommen. Die Klangqualität an sich ist gut, er spielt sich sauber durch meine Playlists, aber mir fehlt unter dem Strich das gewisse Etwas, dieser Punch und diese Dynamik, eben das, was Yamaha immer beim Klang von anderen unterscheidet. Es bleibt also bis dahin die Hoffnung auf einen dann vielleicht perfekten Nachfolger.
Link zum Hersteller: Yamaha TW-E5B