Eine neue Konsole verkauft sich in erster Linie durch ihr Angebot an entsprechender Software. Das musste Nintendo im letzten Jahr mit der Wii U bitter erfahren. Kaum interessante Spiele zum Start ließen die technisch eindrucksvolle Konsole in den Regalen verstauben. Erst im Laufe des Jahres verbesserten sich dank neuer Software auch die Absatzzahlen. Damit Playstation 4 und Xbox One nicht ein ähnliches Schicksal drohte, kündigte man zum Release gleich mehrere Blockbuster an.
Das waren natürlich die üblichen Verdächtigen wie FIFA, Call of Duty und Battlefield. Leider konnten aber so gut wie alle die hochgesteckten Erwartungen kaum erfüllen, wobei insbesondere FIFA 14 von den Spielern fast vollständig verrissen wurde. Andere Highlights wie Drive Club oder Watch Dogs dienten wieder einmal nur dazu, die Vorbestellungen anzukurbeln, denn sie wurden kurz vor dem Konsolenstart ins neue Jahr verschoben.
Wie viele andere auch stürmte ich zum Release der PS4 den Elektronikmarkt meines Vertrauens, nur um festzustellen, dass das vorhandene Softwareangebot durch die Verschiebung von Watch Dogs nicht wirklich dem entsprach, was ich persönlich mir gewünscht hätte. So griff ich kurzerhand erst zu Assassins Creed 4, nur um einige Tage später doch noch Lego Marvel Super Heroes zu kaufen. Was kann man bei einem Lego-Titel schon falsch machen, zumal sich die „Fach“presse mit Lobpreisungen überschlägt? Um es kurz zu machen, trotz vergebener Bestnoten noch immer eine ganze Menge!
Wir spielen Lego seit dem allerersten Teil und sind bis heute der Meinung, dass Lego Fluch der Karibik >>> der bisher beste Teil einer langen Reihe von ewig gleichen, aber immer wieder (ent)spannenden Lego-Titeln war. Umso größer die Vorfreude darauf, nun mit den Comic-Helden meiner Kindheit für Recht und Ordnung sorgen zu dürfen. Und so finden sich im Spiel alle Größen umgesetzt, die regelmäßig die Welt von Superschurken befreien. Angefangen bei Spiderman, über die Fantastischen Vier und dem Hulk bis hin zu Captain America und Iron Man findet sich das Who is Who der Superhelden im Spiel wieder. Und anstatt diesmal wie bei Harry Potter Schüler aus der Gefahr zu befreien, ist es hier Spiderman-Erfinder und Marvel-Ikone Stan Lee.
So toll das anfangs klingt, stellt diese Anzahl an spielbaren Helden auch das eigentliche Problem des Titels dar. Traveller`s Tales waren immer großartig, wenn sie sich an einer Filmvorlage orientieren konnten, aber genau diese gibt es in Lego Marvel Super Heroes nicht. Das Spiel bietet in der Story 15 frei erfundene Level, in denen die diversen Superhelden gemeinsam gegen die fiesesten Bösewichte zum Einsatz kommen. Ein wenig Avengers hier, ein Bröckchen Die Fantastischen Vier dort, garniert mit viel Iron Man und einem Klecks Captain America ergibt eigentlich viel Handlungsspielraum, der aber in den seltensten Fällen auch sinnvoll genutzt wird.
Der alten Lego Tradition folgend wird in den Leveln alles, was entfernt wie ein Bausatz aussieht, in die kleinstmöglichen Steine zerkloppt. Es gibt also bezüglich des Spielprinzips keinerlei Überraschungen. Zerschlagene Objekte lassen sich mancherorts zu einem neuen Bausatz zusammensetzen, um so einem Helden die Möglichkeit zu bieten, den Abschnitt voran zu treiben. Mister Fantastic kann in den Comics und der Filmvorlage seinen Körper um ein Vielfaches dehnen. Albern wird es jedoch, wenn er sich im Spiel in einen Akkubohrer verwandelt, um zwei Schrauben zu lösen.
Und so reiht sich diesmal flacher Witz an gestelzten Humor, um zwischen den Leveln wenigstens ein wenig Handlung vorzugaukeln. Damit könnte man jedoch noch leben, wären da nicht diverse technische Unzulänglichkeiten, die sich hauptsächlich im Multiplayer-Modus zeigen. Der große Pluspunkt gegenüber allen anderen Spielen war bisher der dynamische Splitscreen der Lego-Titel. Spielt man das Spiel zu zweit, übernimmt jeder Spieler eine Figur. Der Bildschirm wird dabei so senkrecht, waagerecht und auch diagonal geteilt, dass jeder seinem Geschehen mühelos folgen kann. So war es zumindest bisher.
Was Traveller`s Tales jedoch in Lego Marvel Super Heroes zusammengeklempnert hat, ist schon fast frech! In diversen Abschnitten geht es darum, mit Captain Americas Schild einen entfernten Schalter zu treffen oder mit dem Hulk etwas auf ein entferntes Objekt zu werfen. Stehen dabei jedoch nicht beide Spieler absolut still, wackelt auch das Bild des anderen und das Anvisieren und Treffen des Ziels ist unmöglich. Ebenso katastrophal wie der geteilte Bildschirm ist die Kollisionsabfrage. Spieler kommen nicht aneinander vorbei oder man stürzt unerwartet doch in den Abgrund. Damit könnte man noch leben, gäbe es nicht in jedem Level mindestens eine Passage, in der man hoffnungslos festhängt.
Die Figur „klemmt“ hinter einem Hindernis fest und kommt weder mit Sprüngen oder sonst einer gearteten Handlung wieder aus dieser misslichen Lage. Nicht, dass es das nicht schon vereinzelt in anderen Lego-Titeln gegeben hätte, aber hier versagt sogar die KI. Der Trick bestand bisher darin, aus dem Spiel auszusteigen und die KI die Situation lösen zu lassen. Doch nicht einmal dies funktioniert, so dass die einzige Möglichkeit ist, das Spiel zu beenden und ab dem letzten Speicherpunkt erneut zu beginnen! Und ein Neustart war ebenfalls die einzige Möglichkeit, Dr. Doom im finalen Kampf zu bezwingen. Einer seiner Doombots hatte sich in eine Ecke der Spielfläche gestellt und war nicht mehr bereit, am Geschehen teilzuhaben. Leider musste dieser Bot aber besiegt werden, um den Endkampf voranzutreiben. Nur wie besiegt man jemanden, der offensichtlich vom Programm nicht mehr erkannt wird?
Der Spielablauf ist ebenfalls bekannt. Zuerst werden die Level im Storymodus gelöst, um im zweiten Durchspielen mit weiteren freigespielten oder gekauften Figuren mit besonderen Fähigkeiten auch alle Schätze zu finden. Obendrein ist die Stadt New York frei begehbar. Auch hier erwarten den Spieler zahlreiche Aufgaben, um alle goldenen oder roten Steine zu sammeln. Rote Steine schalten wieder die bekannten Cheats frei. Auch an dieser Front nichts Neues.
Fazit:
Ich bin Fan der Lego-Spiele. Ich habe jeden Teil bis auf Herr der Ringe gespielt und so gut wie alle zu 100% gelöst. Ob mir das bei Lego Marvel Super Heroes gelingen wird, wage ich jedoch ernsthaft zu bezweifeln. Eine kaum erwähnenswerte Story, der es obendrein an Witz und dem bisherigen liebevollen Lego-Charme fehlt, sowie schwachbrüstige Rätsel paaren sich mit noch nie dagewesenen technischen Problemen.
Die Story benötigt gut über zwölf Stunden, danach löst man zahlreiche Missionen innerhalb der Stadt New York. An Umfang mangelt es dem Titel nicht, ebenso wie an zu erspielenden Helden und Schurken. Und auch die Idee, das Marvel-Universum in ein Lego-Spiel zu packen, kommt solange gut an, bis sich die ersten Probleme einstellen. Denn einen Lego-Titel spielt man mit der Familie im Splitscreen. Man möchte zocken, seinen persönlichen Lieblingshelden über den Bildschirm bewegen und einfach Spaß haben.
Dieser jedoch bleibt jedoch größtenteils auf der Strecke. Das liegt einerseits an den erwähnten Schwächen, aber vielleicht hat sich das Spielprinzip inzwischen einfach aufgebraucht? Löse lineare Level, kaufe Figuren, finde Steine, benutze Cheats und spiele die Level erneut kann zumindest uns nicht mehr wirklich längerfristig fesseln. Zeit vielleicht für einen Neuanfang, wie ihn Lego City Undercover auf der Wii U bereits angedeutet hatte?
Weitere Tests zu bisherigen Lego-Titeln:
Lego Batman 2 – DC Super Heroes
Lego Harry Potter – Die Jahre 5 – 7
Lego Star Wars III: The Clone Wars
Lego Harry Potter – Die Jahre 1-4
Lego Indiana Jones 2: Die neuen Abenteuer