Mobile Konsolen sind den meisten Spielern wahrscheinlich erst durch den Game Boy und seinen vielen Nachfolgern bekannt. Aber es gab noch reichlich weitere Konsolen zum Mitnehmen, die ihrer Zeit mindestens angepasst, aber doch meistens weit voraus waren. So hatte Sega seit Oktober 1990 den Game Gear am Start, unter dessen Gehäuse Master System Technik werkelte.
Fast zeitgleich probierte sich Atari mit dem Lynx am Markt. Selbst die Spielhallenprofis von SNK versuchten es ab 1998 mobil und brachten mit dem Neo Geo Pocket und dem Pocket Color zwei Handhelds auf den Markt. Bereits ein Jahr später veröffentlichte der Spielzeugprofi Bandai seinen Wonderswan und kurz darauf den Wonderswan Color. Allen diesen Konsolen war aber eines gemein: Sie konnten sich trotz teilweise überragender Technik – wie zum Beispiel der TV-Adapter für mobiles Fernsehen beim Game Gear – nicht durchsetzen und verschwanden sang- und klanglos erst vom Markt und dann aus den Köpfen der Spieler.
Nachdem nun seit Dezember 2004 die PSP trotz des zwischenzeitlichen Ausrutschers der PSP Go der Vorzeigehandheld war, schiebt Sony jetzt mit der PS Vita die stärkste mobile Konsole aller Zeiten nach. Ich will hier nicht mit Zahlen langweilen, aber ein OLED-Multi-Touchscreen mit 990 x 540 Bildpunkten bei einer Diagonale von 5 Zoll, also gut 12,5 Zentimetern, ist schon ziemlich beeindruckend. Und allein damit ist eigentlich auch schon klar, wen Sony mit der PS Vita erreichen will. Während der 3DS den Casual-Gamer oder die Jüngeren anspricht, ist die Vita für den Hardcore-Zocker konzipiert, für Leute, die auch unterwegs auf nichts und schon gar nicht auf Playstation 3 Grafik verzichten wollen.
Aber es ist nicht nur die Grafikpracht, die alles bisherige in den Schatten stellt, es ist das gesamte Paket, das hier geschnürt wurde. Wer die Vita aus seiner unscheinbaren Verpackung nimmt, ist erst einmal vom edlen Aussehen der Konsole und der Anordnung sämtlicher Bedienelemente angetan. Das Steuerkreuz und die Buttons liegen genau da, wo sie hingehören, genau wie die beiden Analog-Sticks und die Schultertasten. Die Vita liegt damit nahezu perfekt in der Hand. Was die PS Vita von allen anderen Konsolen unterscheidet, ist der Multi Touchscreen auf der Vorderseite und das Touchpad auf der Rückseite des Geräts. Beide funktionieren einwandfrei und alleine das Wischen über den Screen, um in einen anderen Bildschirm zu gelangen, hat schon etwas so Verspieltes, was in der Art nicht einmal mein iPad bietet.
Also schnell den Memory-Stick ins Gehäuse geschoben und das gute Stück mit Energie versorgt. Nach dem Aufladen benötigt der kleine Kasten nur wenige Sekunden bis zum Start und damit bis zur heute unausweichlichen Ersteinrichtung in Landessprache. Dies sollte eigentlich kein Problem darstellen, es sei denn, man hat wie ich das Pech, dass aus welchen Gründen auch immer Server genau in diesem Moment nicht erreichbar sind. Nachdem sich der Ladekringel nach meiner Anmeldung mit meinem Playstation-Account geschlagene fünf Minuten fröhlich drehte, tippte ich irgendwann entnervt auf „abbdrechen“ … und das war ein Fehler. Denn nach dem Neustart verweigerte die Vita strikt jeden weiteren Anmeldeversuch. Angeblich war nun ein anderes Konto mit der Vita verknüpft. Nachdem weder auf der Playstation-Support Seite noch an anderer Stelle im Internet auch nur ein halbwegs vernünftiger Hinweis zur Problemlösung vorhanden war, musste die Vita also komplett zurückgesetzt werden. Der zweite Anlauf funktionierte dann aber reibungslos.
Nach dem Anschalten fällt dann die völlig neue Menüstruktur auf. Sony ist weg von der sterilen XMB, alles ist nun bunt und rund und für alles und jedes gibt es einen kurzzeitig hüpfenden Menübutton auf der Oberfläche. Außerdem werden nun Fenster für offene Aktivitäten nebeneinander dargestellt. Davon gibt es bis zu zehn Stück, bei mehr wischt man einfach in den nächsten Bildschirm. Ansonsten bietet die Vita auf den ersten Blick bekannte Funktionen in neuem Outfit: Man hat Zugang zum PS Store oder findet einen Browser zum Surfen. Die Eingabe erfolgt über eine Bildschirmtastatur, bekannt von iPhone und Konsorten. GPS und die Anwendung near – wenn man denn die 3G Variante sein eigen nennt – sorgen neben der Positionsbestimmung auch dafür, dass man in der Nähe spielende „“Freunde“ finden kann. Alles in allem nichts bewegend Neues und nichts, was nicht in der einen oder anderen Form nicht schon einmal dagewesen wäre. Mir etwas unverständlich ist der Inhalte-Manager, denn erst dieser ermöglicht den Austausch von Musik und Fotos zwischen Vita und PC oder PS3. Sony setzt außerdem für heruntergeladene Spiele und den damit verbundenen ruckelfreien Spielspaß auf den hauseigenen Memory Stick. Aber ein wenig zusätzlichen internen Speicher zum Start für Spielstände u.ä. hätte ich mir schon gewünscht.
Aber all das ist nebensächlich, denn die PS Vita ist und bleibt eine reinrassige Spielkonsole, alles andere ist Schnick-Schnack und schmückendes Beiwerk. Ich will zocken und nicht surfen, für Fotos habe ich meine Fuji FinePix, echte Freunde treffe ich lieber persönlich im RL und für Google Maps benutze ich mein Handy, so what? Wie anderswo schon mehrfach erwähnt ist mein Favorit und Kaufgrund für eine Konsole immer ein gutes Spiel, das ich auf einer anderen Konsole so nicht erhalte. Und WipEout bin ich seit der PS 1 verfallen. Also den Helm aufgesetzt und ab in den Gleiter. Und nun zeigt die Vita, wofür sie tatsächlich gemacht ist: Zocken und noch mehr Zocken. Nach der erstaunlich langen Ladezeit von annähernd zwanzig Sekunden startet das erste Rennen, der Bildschirm erwacht das erste Mal zu richtigem Leben und zeigt seine wahre Qualität. WipEout ist von je her auf Geschwindigkeit ausgelegt, keine Simulation im Stile eines Mazda in Gran Turismo, hier fliegt die Kuh. Grafikpower, wohin man schaut, kein Verwischen, keine Schlieren, sondern Rennen in allerhöchstem Tempo satt und das alles bei donnerndem Sound.
Mein nächster PS Vita Test ist mein persönliches Spiel des Jahres 2011, Rayman Origins. Während viele am barbarischen Schwierigkeitsgrad verzeifelt sind, habe ich den Titel im Koop-Modus weitgehend durchgespielt. Rayman zeichnet vor allem seine detaillierte Grafik aus, die vor witzigen Animationen nur so strotzt. Was also liegt da näher, als den Vergleich zu den stationären Konsolen zu ziehen? Um es kurz zu machen: Auch auf der Vita ist das Spiel fantastisch. Rayman wurde in punkto Grafik, Sound und Spielbarkeit 1:1 übernommen und spielt sich mit dem Analog-Stick genauso sicher wie auf einer PS3.
Und so ließe sich die Liste qualitativ hochwertiger Spiele fortsetzen, ich komme immer zum gleichen Ergebnis: Die PS Vita ist eine reinrassige mobile Spielkonsole. Wer hier einen Vergleich mit Spielehäppchen aus dem App-Store oder Android-Market zieht, hat das Konzept der Vita nicht verstanden. Denn ein iPhone oder ein Galaxy Note sind in erster Linie zum Kommunizieren da – telefonieren und Mails schreiben – die Spiele sind Lückenfüller und Beiwerk. Gezockt wird auf einer Spielkonsole und nichts anderes will die PS Vita sein, auch wenn man hier, den technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten folgend, viel Drumherum mitgeliefert bekommt. Sony hat in meinen Augen mit dem PSP Nachfolger alles richtig gemacht. Nun müssen nur noch die Kunden verstehen, dass man mit der Vita zocken und nicht navigieren, kommunizieren oder fotografieren soll. Man kauft auch kein Telefon, weil man damit ausschließlich spielen möchte 😉
Der einzige Ärger an dieser Konsole ist, dass es sich hier um ein Leihgerät handelt, welches Sony nächste Woche zurück haben möchte …