Wenn man Musik nicht nur nebenbei über einen Streaming-Dienst konsumiert, sondern auch mal in der Lage ist, sich einfach auf sein Sofa zu setzen und eine Scheibe Vinyl zu drehen, um Musik entspannt zu genießen, dann gehören Live-Konzerte einfach dazu. So langsam entspannt sich die Szene offenbar wieder, die Auftritte nehmen wieder Fahrt auf und so konnten wir in letzter Zeit in Berlin wieder einige gute und sehr gute Live-Acts genießen. Und dabei sind es nicht immer die großen Bühnen wie die jetzt in Uber-Arena umbenannte ehemalige Mercedes Benz Arena, die ebenfalls jetzt von Verti in den schwachsinnigen Namen umgetaufte Uber Eats Music Hall oder das Velodrom, die zuerst mit Live-Konzerten in Verbindung gebracht werden.
Vielmehr haben es uns die kleinen Arenen wie die Columbiahalle, der Frannz Club, das Huxleys oder wie gestern Abend das Astra Kulturhaus angetan. Vor wenigen Hundert Zuschauern entsteht meist eine ganz eigene Atmosphäre, die vielleicht nicht so aufbrausend und imposant ist, wie in den großen Arenen, dafür aber meist Bands zum Anfassen bietet – so geschehen, als wir im letzten Jahr Aaron Jones bereits vor seinem Auftritt im Frannz Club trafen und der sich mit einer herzlichen Umarmung bei mir nach dem Konzert für den Support bedankte. Kleine Hallen haben eben ein ganz eigenes Flair.

Und nun eben gestern Abend das Astra Kulturhaus. Über Beyond the Black bin ich wie über so viele andere in einer Playlist gestolpert und direkt an der Band hängengeblieben. Mit Ausnahme von Doro und ganz wenigen weiteren, sind Frauen als Sängerinnen in Metal Bands noch immer die Ausnahme. Aber hier hatte mich Lead-Sängerin Jennifer Haben sofort. Nachdem also Beyond the Black hier immer wieder mal läuft, war der Besuch des Live-Konzerts nur die logische Konsequenz dessen. Und was hat sich dieser Besuch gelohnt!
Denn egal welchen Act man besucht, spannend sind auch immer die Vorbands. So waren wir in der letzten Woche bei Takida in der Columbiahalle, Vorband war hier Those Dawn Crows. Von denen hatte ich zugegebenermaßen noch nie etwas gehört, aber wie Front-Mann Shane Greenhall stolz verkündete, landete man mit dem letzten Album Inhale/Exhale in UK in den Charts auf Platz 3, um dann hinzuzufügen, dass das in Deutschland nicht möglich wäre. Das ist allerdings nicht möglich, wenn man als hier unbekannte Band nach dem Konzert seine (angehenden) Fans mit Nichterscheinen und dafür mit überteuertem Merch und schlampig signierten Autogrammkarten verprellt. So baut man sich keine Fanbase außerhalb der Insel auf.
Auch gestern Abend hatte ich von der Vorband Ankor noch nie etwas gehört und Sängerin Jessie Williams verkündete dann auch, dass man auf dieser Tour tatsächlich das erste Mal in Deutschland unterwegs wäre. Und nach der ersten Überraschung mit offenen Mündern bei den Fans tobte die Halle, denn bereits mit dem ersten Song hatte die Band alles und jeden im Griff. Mir ist noch immer nicht klar, wie man als Frau mit der Stimme so tief in den Keller kommt, dass man meinen könnte, dort steht ein Mann auf der Bühne? Unfassbar diese Stimme und diese Energie!
Üblicherweise spielt eine Vorband ein paar ihrer Songs, heizt die Massen an, kündigt den Hauptact an, macht artig eine Verbeugung und verschwindet dann. Hier habe ich das erste Mal erlebt, dass die Vorband eine Zugabe spielen musste und für zwei weitere Songs auf die Bühne zurückkehrte. Nun hoffe ich, dass Ankor mit einer eigenen Show noch einmal nach Berlin kommen – so viel Feuerwerk schaffen nur wenige Bands!





Der Main-Act hopst üblicherweise irgendwann auf die Bühne und legt los. Hier spielte jedoch der erste Song, aber die Bühne blieb verdeckt. Es dauerte einen Augenblick, bis man Jennifer Haben singend und auf die Trommel schlagend mitten im Publikum fand, von wo aus sie sich dann auf den Weg zur Bühne machte. Der Einmarsch der Gladiatorin!
Und die Band zog das gesamte Repertoire durch, von Dancing in the Dark, über Reincarnation bis zu Free Me spielte man alles, was von den Fans erwartet wurde. Aber so großartig Jennifer Haben als Lead-Sänderin durch die Show führte, Sänger und Gitarrist Chris Hermsdörfer stand ihr hier in Nichts nach. Genau wegen solcher Riffs besucht man Live-Konzerte! Aber dass die beiden auch die leisen Töne beherrschen, zeigten sie bei zwei von ihnen allein vorgetragenen Songs erneut inmitten des Publikums. Auch Balladen haben ihren Platz in einem Metal-Live-Auftritt.





Schade nur, dass die Band sich nicht ein paar Minuten Zeit nahm, um nach dem Auftritt noch an den Merch-Stand zu kommen, um sich mit den wenigen verbliebenen Fans zu unterhalten. Das habe ich bei Blue October mit Justin Furstenfeld und auch wie oben erwähnt mit Aaron Jones schon anders erlebt. Dafür erschien dort Ankor noch einmal. Ein paar nette Gespräche, das Signieren meines am Stand erworbenen Vinyls und ein Gruppenfoto runden einen solchen Abend ab. Beim nächsten Auftritt von Beyond the Black und auch Ankor – vielleicht dieses Mal sogar als Main-Act – sind wir definitiv wieder dabei!
