Pikmin 3 gehörte zu den von Nintendo angekündigten Release-Titeln zur Wii U. Aber der Zeitraum eines Releasetermins im Sinne Nintendos scheint dehnbar wie ein Gummiband. Knapp neun Monate nach dem Verkaufsstart der Konsole ist aber nun endlich auch Pikmin 3 angekommen. Und um es vorweg zu nehmen, das Warten auf das ungewöhnliche Strategiespiel hat sich gelohnt.
Ich muss gestehen, dass mich die ersten beiden Teile Pikmin nicht wirklich interessiert haben. Zu niedlich, zu kindlich und zu wuselig erschien mir der Spielablauf. Von daher ist der dritte Teil für mich eine echte Neuentdeckung in der mittlerweile immer gleichen Shooter/Racing/Action-Landschaft, in der die Entwickler inzwischen jede Innovation scheuen. Klar, auch die Pikmin sind nichts ungeahnt Neues, aber immerhin neun lange Jahre liegen zwischen Teil 2 auf dem Game Cube und Teil 3 auf der Wii U. Und das ist in Zeiten von jährlichen Updates der immer gleichen Spiele ein schon fast epochaler Zeitraum.
Nintendo-typisch sind Handlung und Präsentation. Ein Planet hat seine natürlichen Ressourcen aufgebraucht und schickt nun Sonden in die Galaxie, um auf benachbarten Planeten nach neuen Quellen zu suchen. Und tatsächlich wird man fündig. Das Problem jedoch: Das ausgesandte Raumschiff stürzt beim Landeanflug ab und die dreiköpfige Crew verteilt sich über den Planeten. Um die eigene Welt zu retten, muss jetzt also nicht nur das Raumschiff wieder flugfähig gemacht werden, es müssen auch zahlreiche Früchte gesammelt werden, die man in der Heimat anbauen kann.
Leider verfügt die doch recht randdebile Mannschaft nicht einmal ansatzweise über die Fähigkeiten der Lost Vikings. Daher sind die Pikmins der Schlüssel zum Erfolg. Sie richtig einzusetzen entscheidet über das Schicksal der gesamten Heimat. Aber zu Beginn des Spiels findet ihr nur ein einsames rotes Pikmin, mit dem natürlich noch nicht viel anzufangen ist. Aber neue Pikmins lassen sich aus so ziemlich allem gewinnen, was sich in der Umgebung befindet. Nummerierte Pflanzen werfen Samen aus, aus denen die entsprechende Anzahl an Pikmins wächst oder aus besiegten Gegnern lassen sich neue Pikmins gewinnen. Der Vorrat an niedlichen Helferlingen reißt im gesamten Spiel nicht ab, weil Pflanzen täglich neue Blüten tragen oder besiegte Gegner gelegentlich auch wieder auftauchen.
Nur mit seinen Pikmin über die Oberfläche zu wuseln, um Früchte zu sammeln, wäre aber dann doch zu eintönig. Und so jagt euch ein doch recht knackiges Zeitlimit von Spieltag zu Spieltag. Denn gespielt wird nur während des Tages, in der Nacht ziehen sich alle Pikmins in ihre Zwiebel zurück. Wer nicht rechtzeitig an Bord ist, wird Opfer der zahlreichen Fressfeinde. So besteht also die Kunst des Spiels darin, die Übersicht über eure täglich bis zu einhundert einsetzbaren Pikmins zu behalten und trotzdem sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Da transportieren rote Pikmins eine Frucht zum Raumschiff, an anderer Stelle fliegen lilafarbene Pikmins umher, um eine Brücke zu bauen, während gelbe Pikmins eine Pflanze ernten, aus der ein besonders motivierender Saft gewonnen werden kann. Um hier die Übersicht zu behalten, habe ich zum Spielen das Gamepad benutzt, da hier eine Landkarte hilfreich dargestellt wird. Alternativ funktioniert auch die Steuerung über Wiimote und Nunchuck. Um eure Pikmins zu euch zu rufen, benutzt ihr eine Pfeife, um sie etwas angreifen oder transportieren zu lassen, werft ihr sie einfach in die entsprechende Richtung. Die Steuerung ist also bis hierhin simpel und eingängig.
Habt ihr nach relativ kurzer Zeit eure Crew wieder vereint, entfaltet das Spiel dann seine taktische Note. Denn zahlreiche Stellen könnt ihr nur mit zwei Crewitgliedern oder sogar nur mit der kompletten Mannschaft erreichen. So fahrt ihr mit einem Blatt über einen Fluss und werft ein Teammitglied, sowie schwarze und lilafarbene Pikmin auf einen Bumper ans andere Ufer. Dort angekommen müssen die schwarzen Pikmin eine Spinne besiegen, damit ihr Netz zusammenbricht. Ist dies erledigt, werden die lila Pikmins nun auf eine entfernte Plattform geworfen, auf der Brückenteile liegen. Da die Plattform mitten im Wasser steht, seit ihr also auf die Flugfähigkeiten eurer lila Pikmins angewiesen. Und so findet ihr zahlreiche Passagen, die nur mit vereinten Kräften und dem richtigen Einsatz der benötigten Pikmin zu meistern sind.
So treibt euch das Zeitlimit voran, um regelmäßig neue Früchte zu finden. Denn am Ende des Tages verbraucht die Crew einen aus einer Frucht gewonnenen Saft. Sind die Vorräte erschöpft, ist das Spiel beendet. Dadurch werdet ihr einen Heidenspaß daran haben, die gesamte Oberfläche zu erforschen. Da liegt noch eine Frucht im Wasser, aber eure Pikmin können nicht schwimmen? Kein Problem! Kommt Zeit, kommt blaues Pikmin – und das kann schwimmen. Gelbe Pikmins graben hervorragend und leiten Strom, rote kämpfen vorzüglich, lila Pikmins können fliegen und schwarze zerstören Kristalle. Ihr erhaltet im Laufe des Spiels für jedes Problem das passende Pikmin und damit die passende Lösung, wenn ihr denn geschickt agiert und die entsprechenden Pikmins in den Einsatz schickt.
Und trotz hohem Rätsel- und Wuselfaktor kommt die Aktion nicht zu kurz. Dafür sorgen teils knackige Zwischengegner, die nach ihrem Ableben aber auch reichhaltige Früchte, ein lebenswichtiges Bauteil für euer Raumschiff oder sogar die Crew aus dem zweiten Teil hinterlassen. Besonders knackig fand ich hier die Bienenkönigin, da diese nicht nur von zahlreichen Arbeitsbienen beschützt wird, die die Anzahl eurer Pikmins radikal reduzieren, sondern auch die Steuerung bzw. Zielerfassung über das Gamepad ist unglücklich gelöst, was gerade bei diesem Gegner auffiel. Es kostete zahlreiche Versuche und noch mehr Nerven, bis ich in der Lage war, die Königin korrekt anzuvisieren und sie dann letzten Endes doch zu besiegen. Hier funktionierte die Wiimote einfach viel genauer. Bis auf den dann doch immens schweren finalen Gegner hält sich aber der Schwierigkeitsgrad in Grenzen. Das Spiel findet somit immer die perfekte Balance zwischen Hektik, Motivation und ganz weniger Frustration.
Die Grafik ist für ein Strategiespiel eine echte Augenweide. Der Garten Eden lässt grüßen. Dennoch lauern trotz der friedfertigen Landschaft skurrile Gegner an jeder Ecke des Spiels. Übergroße Marienkäfer saugen Pikmin ein, an Luftballons erinnernder fliegende Feinde blasen sie mitsamt eurer Crew um. Als Blatt getarnte Gegner fressen Pikmin und unterbrechen so den Abtransport erbeuteter Früchte, während andere Stromschläge austeilen oder Feuer spucken. Spinnennetze unterbrechen die Flugrouten eurer fliegenden Pikmin. Diese sind leider zu doof, dem Netz auszuweichen. Der Einsatz aller Pikmin kostet hier meist zahlreiche Opfer, besser man setzt gleich die richtigen Farben mit den entsprechenden Fähigkeiten ein.
Neben dem klassischen Abenteuermodus finden sich noch zwei weitere Spielmodi auf der Scheibe. Beim kooperativen Bingo sammelt man eine entsprechende Kombination aus Früchten, um zu gewinnen. Allerdings sieht nur der Spieler mit dem Gamepad die Positionen verschiedener Obstsorten, dem Wiimote-Spieler bleiben diese verborgen. Im Missionsmodus darf man noch einmal gegen ein heftiges Zeitlimit allein oder gemeinsam Früchte sammeln oder bereits in der Kampagne besiegte Gegner erneut bekämpfen. Auch nach Abschluss der Story wird also noch einiges geboten.
Es müssen nicht immer Mario oder Zelda sein, um einer Konsole den nötigen Schwung in die richtige Richtung zu geben. Ich bin davon überzeugt, hätte Pikmin 3 bereits zum Verkaufsstart zur Verfügung gestanden, die Wii U wäre besser aus den Startlöchern gekommen. Aber auch knapp neun Monate danach ist Pikmin 3 ein Titel, der fernab der ausgetretenen Pfade echten Spielspaß vermittelt – und das ganz ohne Gamerscore oder Trophies. Spielen einfach wieder mal aus Spaß am Spielen.