Port Royale 3 … mehr Pirates als das Original

usk62Die Spielregeln sind klar definiert: Action = Konsole vs. Simulation/Strategie = PC. Dass es auch anders funktioniert zeigt Port Royale 3, denn nicht jeder Spieler kann oder möchte an seinem Rechenknecht auch zocken. Wer seine Maus nur für Dokumente, Kalkulationen und Grafikbearbeitung herum schiebt, aber trotzdem gerne Simulationen spielt, muss nicht mehr neidisch auf den Gamer-PC starren. Dort ist Port Royale 3 bereits seit Mai 2012 erhältlich. Das Spiel ist trotz Steuerung per Gamepad eine waschechte Simulation, die perfekt vom PC auf Konsole umgesetzt wurde.

portroyale3_coverSeit seligen Amiga 500 und Atari ST Zeiten steht Sid Meier`s Pirates immer wieder Pate für Spiele rund um die Vormachtstellung in der Karibik. War die Handlung dort mit dem Entern von Schiffen, der Schatzsuche und der Heirat der Angebeteten noch überschaubar, so ist Port Royale 3 bei weitem umfangreicher. Es steht es euch frei, ob ihr Händler oder Freibeuter sein wollt. Oder sogar beides. Zu Beginn stehen euch zwei Kampagnen zur Verfügung, die nach ca. sieben Stunden ihren Abschluss finden und dann nahtlos in das Endlosspiel wechseln.

Ich habe mich zuerst für die Händlerkampagne entschieden. Als Schiffbrüchiger werdet ihr von einem angesehenen Kaufmann protegiert, der euch Starthilfe gibt und in die Feinheiten des Handels einführt. Ihr erhaltet ein Schiff und fahrt nun von Stadt zu Stadt, um hier billig Waren einzukaufen, die anderenorts mit Gewinn wieder verkauft werden. So verdient ihr euch die ersten Goldstücke, kommt aber so natürlich niemals zum gewünschten Wirtschaftsimperium. Deswegen dürft ihr bald darauf in Städten, in denen ihr euch dort fairen Handel beliebt gemacht habt, eure ersten Gebäude errichten.

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Gestartet wird immer mit einem Lagerhaus und zwei Wohngebäuden. Sind diese errichtet, dürft ihr bald darauf Betriebe bauen und so eure eigenen Waren anfertigen. Diese stellen maximal fünf der überall auf der Karte benötigten Güter her. So produziert die eine Stadt Holz, das überall zum Bau benötigt wird, kann aber selbst keine Nahrungsmittel produzieren. Eine andere Stadt stellt Kleidung her, kann aber selbst keine Baumwolle pflanzen, die zu Tuch verarbeitet wird, welches wiederum zur Produktion von Kleidung benötigt wird. Und so seid ihr bald dabei, Waren von Cayman nach Port Royale und weiter nach Belize zu verschiffen, damit der Rubel rollt.

Wie bei jedem Großunternehmen geht es darum, letzten Endes ein Monopol zu erschaffen. Das gelingt natürlich nicht mit nur einem Schiff oder Konvoi. Ihr erhaltet bald ein zweites Schiff, welches ihr dann für automatische Handelsrouten einsetzt. Und hier merkt man dann, dass sich jemand ganz viele Gedanken gemacht hat, denn es stehen diverse Möglichkeiten der Einrichtung zur Verfügung. So könnt ihr dafür sorgen, dass euer Gewinn gesteigert wird, dass eine Stadt Wohlstand erreicht, dass Materialien für eure Betriebe heran geschafft werden oder dass eure Lager geleert werden und überschüssige Ware, die euer Lagerverwalter nicht an die Stadt abgibt, anderswo verkauft wird. Diese voreingestellten Routen funktionieren so perfekt, dass man nur gelegentlich den entsprechenden Konvoi anklickt, um vielleicht die Route mit dem Hinzufügen oder Entfernen der einen oder anderen Stadt zu optimieren. Einmal eingerichtet, schaut ihr dann zu, wie sich euer Vermögen kontinuierlich vermehrt. Auch die Einrichtung persönlich zusammengestellter Routen ist möglich.

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Das funktioniert so lange gut, bis der erste Konvoi von Piraten überfallen wird. Im besten Fall werdet ihr eure Waren los, im schlimmsten Fall auch gleich den ganzen Konvoi. Es ist also an der Zeit, eure Handelsschiffe mit einer Kriegsflotte zu schützen und diese zu Konvois zusammenzufügen. Ein Konvoi kann aus mehreren Schiffen bestehen, aber nur drei davon sind die Kampfschiffe. Diese müssen vorher definiert werden, alle weiteren greifen nicht in die Schlacht ein. Es nützt also nichts, einem gut funktionierenden Konvoi zahlreiche Kriegsgaleonen hinzuzufügen, es sei denn, um ausreichend Matrosen für Landangriffe gegen Städte oder Piratennester zur Verfügung zu haben. Beim Kauf eines Schiffes erhält dieses zwar die erforderliche Anzahl an Matrosen, um es zu segeln, aber für die Bedienung der Kanonen müsst ihr euch im Hafen mit weiteren Matrosen und Kugeln ausstatten. Erst dann ist euer Konvoi auch kampfbereit.

Kämpfe selbst können manuell oder auch automatisch ausgetragen werden. Wollt ihr selber Piraten jagen oder eine Nation von der Landkarte fegen, steuert ihr eines von drei Schiffen in der Schlacht. Durch geschicktes Einsetzen der Segel und Beachtung der Windrichtung und Untiefen versucht ihr eurem Gegner eine Breitseite nach der anderen in die Planken zu jagen, ohne nach Möglichkeit selbst getroffen zu werden. Habt ihr das feindliche Schiff sturmreif geschossen, dürft ihr es versenken oder entern. Geratet ihr selbst zu sehr in Bedrängnis, ruft ihr eure beiden anderen Schiffe zu Hilfe. Im Gegensatz zu Pirates ist eine Flucht leider nicht möglich, auch wenn ihr schneller seid als eure Gegner. Seeschlachten müssen also immer bis zum bitteren Ende ausgefochten werden.

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Befinden sich zwei Nationen im Krieg, was zu der Zeit offensichtlich alle paar Wochen der Fall war, dürft ihr bei entsprechendem eigenen Ansehen beim jeweiligen Vizekönig einen Kaperbrief erwerben. Dieser berechtigt euch, alle feindlichen Konvois oder Städte anzugreifen, ohne an Achtung bei den Nationen – außer natürlich der angegriffenen – zu verlieren. Angriffe auf Städte werden immer manuell mit den drei Kampfschiffen eures Konvois geführt. Um eine Stadt zu annektieren oder die Stadtkasse zu plündern, muss zuerst immer die Befestigung ausgeschaltet werden. Man steuert mit jedem seiner drei Kampfschiffe einen vordefinierten Punkt an, von dem aus dann das Feuer auf die Verteidigungsanlagen eröffnet wird. Erst wenn alle Anlagen zerstört sind, beginnt der eigentliche Angriff auf die Stadt. Und hier entscheidet die Anzahl der Matrosen über die Anzahl der Verteidiger. Habt ihr in der Schlacht zu viele Matrosen verloren, wäre die Erstürmung der Stadt dann ein Selbstmordkommando. Es lohnt es sich daher, den Angriff abzubrechen und einen frischen Konvoi den Überfall ausführen zu lassen. Besitzt ihr keinen weiteren Konvoi, habt ihr genug Zeit, euch in befreundeten Häfen mit neuen Matrosen auszustatten, um dann erneut einzufallen. Die Befestigungsanlagen sind in dieser Zeit nicht neu errichtet.

Neben der friedlichen Übernahme von Städten durch eine ausreichende Anzahl von Betrieben und einem hohen Grad an Ansehen ist dies die zweite Möglichkeit, an eigene Städte zu gelangen. Aber hier ist Port Royale 3 leider nicht wirklich logisch. Denn es kann euch passieren, dass die Nation, der ihr die Stadt abgejagt habt, sich diese wieder zurückholt und euch in Friedenszeiten angreift. Fällt die Stadt dann wieder an den ehemaligen Besitzer zurück, will man sich das natürlich nicht gefallen lassen und startet den Gegenangriff. Aber da Frieden herrscht, wird eure Aktion als kriegerischer Akt betrachtet und ihr verliert sofort an Achtung bei allen anderen Nationen. Dieses könnt ihr nur durch umfangreichen Handel oder besser noch, durch die Jagd auf Piraten wieder zurück erlangen. Es ist dabei sinnvoll, zwar Piratenkonvois zu plündern oder zu versenken, aber das Versteck der Piraten selbst zumindest eine Weile unangetastet zu lassen. Dieses überfallt ihr erst, wenn ihr etliche Waren oder viel positives Renommee benötigt.

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Handel und Seeschlachten sind aber nur ein Teil des umfangreichen Spielprinzips von Port Royale 3. So lohnt es sich immer wieder, in den Städten die Tavernen aufzusuchen, um mit Händlern, besorgten Frauen oder Schatzkartenbesitzern zu sprechen. Diese haben zahlreiche Nebenmissionen parat, die euch immer wieder Goldstücke in eure Kasse spülen. Ebenso sinnvoll ist es, gelegentlich beim Gouverneur oder Vizekönig vorbei zu schauen und dort Aufträge entgegen zu nehmen.

Fazit:

Port Royale 3 bietet das, was man bei Konsolenspielen sonst eher schmerzlich vermisst, nämlich Umfang. Und davon gibt es reichlich. Ihr handelt, ihr plündert und ihr häuft ein Vermögen an Gold und Städten an, ohne dass euch das Spiel vorschreibt, was ihr wie zu tun oder zu lassen habt. Ihr habt immer die Wahl, in die Handlung einzugreifen oder einfach das Spiel zu genießen.

Ihr habt eine Handelsroute eingerichtet? Dann schaut doch einfach zu, wie euer Konvoi von Hafen zu Hafen schippert und sich euer Gold vermehrt. Ihr findet, dass Holland weder bei der Fußball-WM, noch in der Karibik etwas zu suchen hat? Dann umgebt euch mit Kriegsschiffen und annektiert Stadt um Stadt und vernichtet Konvoi um Konvoi. Ihr habt keine Lust mehr, braver Händler zu sein? Startet eine Karriere als Freibeuter und überfallt friedliche Schiffe und Städte. Habt ihr davon genug, kümmert euch um euer Ansehen und kehrt in das brave Leben zurück.

Eigentlich ein PC-Spiel, ist die Umsetzung für die Xbox 360 wirklich gut gelungen. Es muss nicht immer die Maus sein, man darf endlich auch auf Konsole mal wieder eine starke Simulation spielen, wenn man die entsprechende Geduld mitbringt, sich durch die Anleitung und umfangreiche Menüs zu beißen. Da das Spiel bereits 2012 veröffentlicht wurde, sind jetzt noch maximal 29,-€ gut investiertes Geld, wenn man denn gegenüberstellt, wofür man sonst 60,-€ ausgibt und nicht annähernd so viel Spieltiefe findet.