Im Test: Pro-Ject Head Box S2 Digital – kleiner Kopfhörerverstärker mit großer Leistung

Ich habe vor kurzem irgendwo gelesen, dass für jeden Musikliebhaber irgendwann im Leben die Zeit kommt, sich einen wirklich guten HiFi-Kopfhörer zu kaufen. Offenbar war meine Zeit im Sommer gekommen. Ich habe mich ausführlich mit Kopfhörern in der Klasse bis 1000€ beschäftigt und immer wieder stand hier und dort geschrieben, dass für den bestmöglichen Klang ein Kopfhörerverstärker offenbar unerlässlich ist. Das erscheint logisch, da ich ja selbst schon mobile DAC im Einsatz hatte und diese tatsächlich den Sound hörbar aufwerten konnten. Nun steht hier die Pro-Ject Head Box S2 Digital und ich kann den beyerdynamic T1, den Focal Elegia und den Denon AH-D7200 daran testen.

Wozu benötigt man einen Kopfhörerverstärker, wenn doch der klassische HiFi-Verstärker mit einem vermeintlich guten Kopfhörer-Ausgang ausgestattet ist? Auf den ersten Blick bzw. das erste Hören mag diese Lösung natürlich ausreichen, aber zu wissen, dass nach oben noch immer Luft ist, um den Klang noch detaillierter und kleinteiliger darzustellen, steigert das Verlangen nach einer separaten Lösung dann doch noch einmal. Gerade beim Kopfhörer-Ausgang wird von vielen Herstellern gerne gespart. Nun muss dort nicht gleich das preiswerteste Bauteil eingesetzt sein, aber es geht eben in vielen Fällen noch einmal um ein paar Klassen besser. Und wer sich einen guten HiFi-Kopfhörer kauft, will nicht klanglich an einem preiswerten Ausgang des Verstärkers scheitern.

Ich habe mich also nach einer Weile des Umschauens und Informierens für den Focal Elegia als den für mich und meine Hörgewohnheiten perfekten Kopfhörer entschieden und mir diesen nach einer massiven Preissenkung gekauft. Aber mir war von Anfang an klar, dass ich dazu auch einen vernünftigen und halbwegs bezahlbaren Kopfhörerverstärker benötige. Und da begann das eigentliche Elend, denn der Markt ist groß und die Preise reichen von Blister-Pack im Elektronikfachmarkt bis hin zu ich-verkaufe-meine-Seele. Also musste ich die eigenen Ansprüche hinterfragen, was ich nämlich wirklich benötige?

Klar sollte mein Kopfhörerverstärker die Audio-Qualität hörbar verbessern, aber weder brauche ich einen zweiten Anschluss, damit meine bessere Hälfte ihren eigenen Kopfhörer anschließen kann, noch benötige ich analoge oder digitale Anzeigen oder verschiedene symmetrische und unsymmetrische Ausgänge. Musik wird digital über meinen Cambridge Audio Streamer CXN (V2) zugespielt und damit reduzierte sich das Angebot an verfügbaren Geräten schon merklich. Aber selbst dieses Angebot war für mich als Einsteiger in die Materie stationärer Kopfhörerverstärker noch immer unüberschaubar. Also hält man sich letzten Endes an Menschen, die mehr Ahnung und Erfahrung als man selbst haben. Und so landete ich bei Audio Trade und der Pro-Ject Head Box S2 Digital.

Die Head Box S2 ist auf den ersten Blick ein unscheinbares, kleines schwarzes Kästchen aus gebürstetem Aluminium mit der gewünschten 6,3 Millimeter Kopfhörer-Klinkenbuchse, jeweils einem Schalter für Quelle und Filter, sowie einem großen Drehregler für die Pegel an der Front. Der Anschluss der Head Box S2 Digital erfolgt auf der Rückseite über den koaxialen oder digitalen Eingang, sowie einer USB-Schnittstelle, wenn diese an einem PC betrieben werden soll. Zusätzlich verfügt die Box über einen analogen Ausgang, über den ein Verstärker oder Aktiv-Lautsprecher betrieben werden können.

Bei der Ausgabe von Klang leistet die Head Box eine Ausgangsleistung von 2x 68mW an 32 Ohm, damit sind Sampling Frequenzen von bis zu 24Bit/192kHz und hörbare Frequenzen von 20Hz bis zu 20kHz möglich. Dieser Hörbereich liegt also genau innerhalb des Wahrnehmungsvermögens des gesunden menschlichen Ohrs. Verbaut ist der D/A Wandler ESS Sabre ESS9038, der auch in weit teureren Geräten zum Einsatz kommt. Aufgebaut ist das gesamte System auf einer vierlagigen, vergoldeten Platine.

Wie schon erwähnt, ist der kleine Kopfhörerverstärker mit seinen Maßen von 103 x 37 x 104 Millimetern eher unauffällig. Aber gerade diese Schlichtheit ist es, die ich so mag. Nicht umsonst steht hier mit der kompletten Cambridge Audio HiFi-Anlage bestehend aus dem Verstärker AXR100D, dem CD-Player AX35 und dem Streamer CXN (V2) ein optisch eher zurückhaltendes und klassisches System, in welches sich die Head Box S2 Digital somit nahtlos einfügt. Verbunden ist der Verstärker hier per optischem Kabel mit dem Streamer, Musik wird digital über Tidal zugeführt. Es wird also Zeit, sich endlich dem Klang zuzuwenden. Dafür habe ich mich auf einige wenige Titel beschränkt und diese abwechselnd über den verbauten Kopfhörer-Anschluss des AXR100D und der Head Box gehört.

Für die erste Hörsession nutze ich meinen Focal Elegia, der sich bereits in seinem eigenen Test als ein überaus neutral aufspielender und äußerst agiler Kopfhörer herausgestellt hat. Gestartet wird mit der Master-Version eines der besten Alben aller Zeiten, nämlich Pink Floyd mit The Wall. Und seit einer Vorführung der Yamaha-Lautsprecher NS-5000 vor einigen Jahren hat es mir hier besonders der Song Another Brick In The Wall Part I angetan. Kaum ein anderer Titel bietet so unfassbar viele Klangeffekte, spielt mit einem solch perfekten Bass auf und hat ein solch breites Bühnenbild. Der Titel ist also wie gemacht für einen solchen Test, in dem es um Nuancen in der Klangwiedergabe geht.

Schon dieser eine Song macht mir wieder deutlich, warum ich auch nach Wochen des Testens meine Musik bei Nutzung eines Kopfhörers lieber über die Pro-Ject Head Box statt über den Cambridge Verstärker höre. Die Unterschiede sind so überaus deutlich, über die S2 Digital erwartet den Hörer eine wahrhaft natürliche und lebhafte Wiedergabe in allen Bereichen des Klangs. Das gilt besonders für die zahlreichen Hall-Effekte, die Another Brick In The Wall Part I auszeichnen, sowie den von Roger Waters gespielten Bass, der ein tragendes Element des Titels ist. Wer sich auf den Song einlässt, entdeckt über den Pro-Ject Verstärker vermutlich zahlreiche Details, die bisher vielleicht eher im Verborgenen lagen.

Bei den größten Alben aller Zeiten taucht ein Name immer wieder auf – Talk Talk mit It`s My Life. Neben den bekannten Titeln wie Dum Dum Girl oder Such A Shame befinden sich aber zahlreiche weitere großartige Titel auf dem Album. Einer davon ist Tomorrow Started. Für diesen Song nutze ich nun den beyerdynamic T1 der dritten Generation, der mit seiner Tiefendominanz eine vollkommen andere Abstimmung hat, als der Focal Elegia. Trotz vieler Synthesizer-Effekte und eines überragenden Spiels an den Drums, dominiert diesen Song die so prägende Stimme von Mark Hollis.

Nun ist der T1 klanglich aufgrund seiner Abstimmung sicher nicht jedermanns Kopfhörer, auch ich habe eine Weile gebraucht, um mich mit ihm anzufreunden. Aber gerade an der Head Box S2 Digital entfaltet der T1 ein nochmal ungeahntes Potential. Hier kam ich dann das erste Mal dazu, mich bewusst durch die fünf verschiedenen Filter zu hören, die die Head Box zur Verfügung stellt. Mit diesen lässt sich der Klang auf das persönliche beste Klangbild feinjustieren. Die Abstufungen dabei sind marginal, dennoch machen diese hörbaren Nuancen den feinen Unterschied aus. Durch das basslastige Klangbild des T1 kommen die Drums tatsächlich noch einmal mehr zur Geltung und auch der Gesang erfährt nochmals eine hörbare Aufwertung, die so über die S2 transportierten Emotionen von Mark Hollis verursachen Gänsehaut.

Zuletzt nehme ich nun einen Kopfhörer zur Hand, der bis zum Schreiben dieser Zeilen in seiner Verpackung auf seinen ersten Einsatz wartet. Ich habe den Denon AH-D7200 für einen Test erhalten und bis dato noch nicht in den Fingern gehabt, geschweige denn, ihn angehört. Es gibt also kaum eine bessere Gelegenheit, diesen endlich auszupacken und sich überraschen zu lassen. Da es hier aber um den Test der Head Box und nicht um den des Kopfhörers geht, schließe ich diesen zum Kennenlernen erst einmal direkt an den AXR100D an, um dann die hoffentlich hörbare Verbesserung des Sounds über den Kopfhörerverstärker zu genießen. Und schon immer gibt es hier keinen Klangtest ohne mindestens einen Song aus der Hard`n`Heavy Ecke. Einer der wohl bekanntesten Songs auf diesem Planeten ist House Of The Rising Sun von The Animals aus dem Jahr 1964. Der Titel wurde dutzende Mal gecovert, aber eine Metal-Version von Five Finger Death Punch ist dann doch eher ungewöhnlich, zumal diese wohl kaum jemand Sänger Ivan L. Moody in dieser Form zugetraut hat.

Schnell wird klar, in welcher Liga der AH-D7200 spielt. Denon selbst bezeichnet sein Headset nicht umsonst als Referenz-Kopfhörer. Nach dem Anschluss an die Head Box S2 Digital entfaltet der Song dann sein volles Potential. Hier begeistern beim ersten Hören vornehmlich die Bässe, die für mich entspannter abgestimmt sind, als beim beyerdynamic T1. Dies kommt hauptsächlich den Drums zugute. Und dennoch lebt Metal von seinen dynamischen Gitarren und gerade zum Finale hin entdeckt man über die Head Box neue Feinheiten im Gitarrenspiel, die bisher eher untergegangen sind. Über allem jedoch thront die charismatische und sonore Stimme von Ivan L. Moody, dieser nimmt den Hörer von der ersten Note an mit, dass es die pure Freude ist. Der kleine Pro-Ject Kopfhörerverstärker reiht hier aber bei aller Intensität des Songs nicht nur Noten aneinander, sondern betont die Grundstimmung und spielt aus einem Guss.

Aber zaubern kann auch ein Kopfhörerverstärker nicht. Grundvoraussetzung für besten Sound ist noch immer ein entsprechend hochwertiger HiFi-Kopfhörer. Und hier muss jeder für sich selbst entscheiden, welchen Klang er bevorzugt. Erst wenn man seinen Kopfhörer wirklich kennt, kann man auch die klanglichen Vorteile eines Kopfhörerverstärkers richtig einordnen und lernt diesen dann umso mehr zu schätzen.

Fazit:

Auch nach Wochen ist die Pro-Ject Head Box S2 Digital eines meiner liebsten und inzwischen unverzichtbaren Spielzeuge. Sich seinen Lieblingskopfhörer zu greifen und am Abend ein bekanntes Album in aller Ruhe neu zu genießen oder etwas Neues zu entdecken, gehört zu den Highlights des Tages. Und genau dafür ist ein solches Gerät gemacht. Musik wird nicht nur schlicht konsumiert, sondern bewusst gehört, auch mit dem befriedigenden Wissen, den bestmöglichen Sound zu erhalten.

Selbstverständlich sind gerade im Bereich HiFi nach oben keine Grenzen gesetzt, aber Pro-Ject beweist mit der Head Box S2 Digital, dass auch für den überschaubaren Geldbeutel mit zurzeit aufgerufenen 329,-€ toller Klang möglich ist. Schlichtes Design, einwandfreie Technik, simpler Anschluss sowie einfache Bedienung überzeugen auch Einsteiger in die Materie Kopfhörerverstärker.


Link zum Hersteller: Pro-Ject Head Box S2 Digital