Der Kampf um die Rally-Krone

Rally Spieler haben es dieser Tage schwer. Nachdem eigentlich über Jahre hinweg außer WRC nichts Spielbares in Sicht war, liegen nun innerhalb weniger Monate mit WRC 5, Sebastien Loeb Rally Evo und DiRT Rally gleich drei Titel vor, die den Spieler vom Asphalt in den Dreck schubsen wollen. Auch wenn es bei allen Titeln um das Gerase jenseits der befestigten Pisten geht, so könnten die Ansätze und vor allem der Anspruch an den Spieler unterschiedlicher nicht sein.

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Konsolen-Zocker und Rally-Fanatiker nennen bis heute nur einen Titel, der den Rally-Sport so kompromisslos darstellte, wie er im echten Leben auch ist: Richard Burns Rally. Aber auch hier schieden sich bereits die Geister, denn so viel Realismus trieb den Gelegenheitsspieler in den Wahnsinn, während der Fan nicht genug bekommen konnte. Ein weiterer Titel, der mich wochenlang an das Pad fesselte, war Rallisport Challenge 2 auf der ersten Xbox. Allein die zahlreichen Hill Climb Wettbewerbe waren sensationell.

Und so war es dann auch Colin McRae Dirt mit seinem grandiosen Pikes Peak Rennen, welches mich zu immer neuen Bestzeiten antrieb, so dass ich mich irgendwann online für einen kurzen Zeitraum unter den Top 10 der Welt wiederfinden konnte. Aber danach war Schicht im Schacht, realistische Rally Spiele waren wie abgeschnitten. Während WRC regelmäßig mit einem grafisch mäßigen, aber dafür mit aktuellen Daten ausgestatteten Spiel aufwarten konnte, gab sich Codemasters mit DiRT immer mehr der Lächerlichkeit preis, welches in DiRT Showdown seinen unrühmlichen und peinlichen Höhepunkt fand.

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Nun hat der Spieler die Qual der Wahl, welcher der aktuellen Titel es denn nun sein darf? Um es vorweg zu nehmen: Nur wer alle drei Titel gespielt hat wird feststellen können, welches Spiel den eigenen Anforderungen und Fähigkeiten am nächsten kommt. Denn unterschiedlicher könnten die Titel vom Anspruch her gar nicht sein. Und der Anspruch beginnt bei einem Rallyspiel unweigerlich mit der Steuerung. Wir zocken mit dem Pad, weil aus Platzgründen ein Racing Seat mit Force-Feedback-Lenkrad und Pedalsystem einfach mal keinen Platz hat. Und ein Lenkrad am Couchtisch befestigt, ist sinnfrei. Entweder Realismus oder nicht, dazwischen gibt es nichts, denn es sitzt auch niemand im Rennsitz und spielt mit dem Pad.

Unter diesem Gesichtspunkt fällt DiRT Rally eigentlich schon vollkommen raus, denn mit dem Pad ist dieser Titel fast unspielbar schwer. Da nützen auch keine zuschaltbaren Fahrhilfen und zahlreiche Einstellungs- und Tuningmöglichkeiten. DiRT Rally will eine knallharte Simulation sein, die dem Spieler schon auf dem niedrigsten Niveau hinter dem Steuer eines Mini Coopers aus den 1960er Jahren mehr abverlangt, als die meisten zu leisten in der Lage sind. Allein das Fahrzeug auf halbwegs gerader Strecke in der Spur zu halten, erscheint als Ding der Unmöglichkeit. Dann auch noch eine einfache Kurve bei höchstmöglichen Tempo zu fahren, ohne auszubrechen oder abzuheben werden nur Spieler mit hoher Frustrationsschwelle schaffen.

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Ähnlich verhält es sich mit Sebastien Loeb Rally. Hier ist der Simulationsanspruch ebenfalls recht hoch, wenn man nur ein Pad zur Verfügung hat. Auch Loeb bietet zahlreiche Möglichkeiten, das Fahrzeug entsprechend anzupassen, aber selbst die Geradeausfahrt auf Asphalt verlangt dem Spieler schon einiges ab. Ständiges korrigieren gehört auch hier dazu. Ganz anders verhält sich WRC 5. Dieses Spiel ist locker mit dem Pad spielbar. Nun werden Rally-Enthusiasten quengeln, dass der Titel zu arcadelastig wäre, aber was die Steuerung der Boliden angeht, lässt WRC 5 auch dem Anfänger oder Gelegenheitsspieler eine faire Chance, sein Fahrzeug unbeschadet ins Ziel zu bringen.

Ebenso frustrierend fanden wir den gravierenden Unterschied zwischen Automatikgetriebe und manueller Schaltung. So scheint es mit der Automatik bei DiRT oder Loeb unmöglich, nach einer Haarnadelkurve oder Kehre den Motor auf Drehzahl zu halten und vernünftig aus der Kurve herauszubeschleunigen. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis das Triebwerk wieder Gas annimmt und der Drehzahlmesser sich von Null nach oben bewegt. Dies ist besonders bei den Rallycross-Rennen frustrierend, da jeder Gegner nach einer Kurve zahlreiche Meter gutmacht, die man bis über die Ziellinie nie wieder aufholen kann. Hier zeigt sich allein WRC 5 einsteigerfreundlich, weil sich die Boliden auch mit der Automatik ohne Leistungseinbrüche nach Kurven beschleunigen lassen.

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Ein weiteres Kriterium sind Streckenumfang, Anzahl der verfügbaren Fahrzeuge und Spielmodi. Auch hier kann DiRT Rally nicht wirklich mithalten. Nur sechs verschiedene, fiktive Rallykurse können auf Dauer zu wenig sein, wenn man die Kurse erst einmal verinnerlicht hat. Dabei stellen sich dann Griechenland und Wales obendrein als unsagbar schwer heraus. So bleibt einem zum Üben und Erlernen des Spiels und der Physik fast nur der Deutschlandkurs auf Asphalt. Und das ehemals sensationelle Pikes Peak Bergrennen lebt hier mehr vom Namen, denn von der Spielbarkeit. Denn egal aus welcher Perspektive, ob aus dem Auto, über der Haube oder hinter dem Fahrzeug: Selbst als erfahrener Pikes-Peak-Spieler erschien es mir unmöglich, egal welches Fahrzeug unbeschadet allein schon fehlerfrei durch die ersten Kurven zu bringen, so nervig, empfindlich und scheinbar unberechenbar ist die Steuerung.

Sebastien Loeb Rally Evo bietet ebenfalls Pikes Peak, aber hier noch ein zusätzliches Bonbon. Denn neben dem modernisierten und damit komplett auf Asphalt fahrbaren Kurs, wurde auch die alte Strecke mit zahlreichen Schotterabschnitten auf die Scheibe gepresst. Ebenso sind Streckenumfang und die Anzahl der fahrbaren Rallys bei Loeb höher. Schon San Remo macht einen Heidenspaß, auch wenn dieser Kurs einiges an Übung und Erfahrung abverlangt. Wer lieber originale Kurse fährt, greift ohnehin zu WRC 5. Wie üblich bietet dieses Spiel alle Pisten der letztjährigen, also in diesem Fall der 2015er Tour.

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Beim Fahrzeugumfang nehmen sich alle Titel nicht viel. WRC 5 bietet alle Fahrzeuge und Teams der letztjährigen Saison. Als Anfänger startet man zum Üben am besten in der Junior WRC und arbeitet sich über die WRC 2 Fahrzeuge an die Top-Boliden. Diese verlangen dann aber einiges an Fahrkönnen. DiRT und Loeb bieten hingegen neben halbwegs aktuellen Autos noch einen umfangreichen Fuhrpark bekannter Rallyfahrzeuge aller Jahrgänge. Wer aber bei DiRT zum 265. Mal mit dem Mini Cooper in die Begrenzung schmettert, weil Bremsen in den 1960er Jahren eben noch nicht die Qualität aktueller Stopper hatten, wird hier den einen oder anderen Frust herunterschlucken müssen. Aber eine Fahrt im Lancia Startos HF gleicht das wieder aus – vorausgesetzt, man kommt mit den Eigenarten dieses Wagens klar.

Spielmodi bieten alle Titel reichlich, egal ob online oder allein zu Hause vor dem TV. Für ausreichende Unterhaltung ist also gesorgt. Jedoch setzt DiRT eine hohe Toleranzschwelle beim Spieler voraus. Erreicht man bei Loeb oder WRC gegen die KI in anfangs niedriger Stufe schon nach kurzer Zeit recht gute Ergebnisse, muss man sich bei DiRT bereits von Beginn an gewaltig strecken, um nur ansatzweise den Hauch einer Chance gegen den Computer zu haben. Profis beschäftigen sich deswegen bei allen Titeln mit den umfangreichen Tuning-Möglichkeiten, um noch das Letzte aus dem Gesamtpaket zu quetschen. Alle Titel bieten eine Karriere, sowie die Möglichkeit, Etappen oder Events mit dem gewünschten Boliden einzeln zu fahren. Die Menüs sind bei allen Titeln wohltuend schlicht und übersichtlich, hier hat Codemasters nach den letzten optischen Katastrophen eine Rolle rückwärts vollzogen und konzentriert sich wieder auf das Wesentliche.

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Spielbarkeit ist das Eine, aber optisch lecker muss das Ganze dann auch noch zubereitet sein. Hier hat DiRT Rally in allen Belangen die Nase ganz weit vorn. Herrliche Effekte ohne jegliche grafische Aussetzer sorgen für so manches Staunen. Ähnlich gut kommt Sebastien Loeb Rally Evo daher: Tolle Grafik, ohne große sichtbare Fehler. Erstaunlicherweise fällt WRC 5 im Vergleich weit ab. Tearing, also ein sichtbares Zerreissen des angezeigten Bildes, kommt leider auf grafisch anspruchsvollen Kursen mit vielen Licht- und Schatteneffekten zu oft vor. Das ist selbst beim Spielen und nicht nur beim Zuschauen zu bemerken, auch wenn es nicht wirklich stört.

Fazit:

Wer darf es denn nun sein? Kandidat 1, der auf Realismus pur setzt und dem Spieler alles abverlangt? Oder Kandidat 2, der zwar realistische Strecken bietet, aber sonst eher dem Arcade-Gefühl den Vorzug gibt? Oder doch lieber Kandidat 3, der eine Mischung aus allem ist und sich offenbar nicht ganz entscheiden kann, ob er Realist oder Spaßvogel ist?

Nochmal: Wir zocken Renn- und Rallyspiele seit seligen Atari-Zeiten, haben also Erfahrung mit allem, was digitale Reifen hat. Und dennoch haben wir das Gefühl, dass man es bei DiRT einfach viel zu gut und bei Loeb noch immer sehr gut meint. Klar, alle Titel wurden nur mit dem Pad gespielt, aber so werden Rennspiele noch immer in den meisten Konsolen-affinen Haushalten gezockt. Wenn man einfach das Gefühl hat, dass ein Titel für den normalsterblichen Gamer ohne entsprechendes Equipment nicht mehr zu spielen ist und dass die Entwickler den schmalen Grat zwischen Spaß und Frust nicht mehr finden, sind wir entweder zu alt oder wir zocken inzwischen einfach viel zu wenig.

Für den Gelegenheitsspieler, der mal Just for Fun ein Rallyspiel zocken möchte, ist daher WRC 5 die eierlegende Wollmilchsau – trotz gelegentlicher Fehler bietet der Titel eine ansprechende Grafik, dazu kommen umfangreiche Strecken und Fahrzeuge und vor allem Spaß und Erfolgserlebnisse beim Spielen. Das ist es, worauf es den meisten ankommt.

Profis und Wahnsinnige, die jedes Lenkrad ihr Eigen nennen, im Racing Seat übernachten, die jede Schraube Millimeter für Millimeter verdrehen, bis das Tuning aufs i-Tüpfelchen stimmt und die obendrein eine unmenschliche Frustrationstoleranz haben, greifen zu DiRT Rally.

Wer irgendetwas dazwischen sucht, kommt um Sebastien Loeb Rally Evo nicht herum. Das Spiel bietet eine gesunde Mischung aus Ehrgeiz und Spielspaß bei dennoch gehobenem Anspruch.