Donkey Kong Country Returns

Befragt man jüngere Spieler nach den besten Jump`n`Runs aller Zeiten, kommt den meisten mit Sicherheit zuerst der italienische Klempner Mario in den Sinn. Einige werden auch noch den blauen Igel Sonic auf dem Schirm haben, aber dann wird es meistens eng. Stellt man die gleiche Frage aber Spielern, die den Release des SNES nicht aus dem Geschichtsbuch kennen, sondern diesen live erlebt haben, fällt mit Sicherheit der Name Donkey Kong.

Als 1994 noch alle Entwickler mit Sprites arbeiteten, um flüssig animierte Figuren auf den Bildschirm zu zaubern, ließ Nintendo um Shigeru Miyamoto vom Entwicklerstudio Rare Donkey Kong Country für das Super NES programmieren. Diese verwendeten das erste Mal Render-Grafiken und so entstand das damals technisch aufwändigste und grafisch schönste Spiel aller Zeiten.

Jetzt, gute sechszehn Jahre später, erlebt der Affe, der seinen Einstand in die Videospielwelt als Fässer werfender Bösewicht auf einem Baugerüst hatte, seine Wiedergeburt auf der Wii und Kennern der Super NES-Version treibt es beim Start von Donkey Kong Country Returns schlagartig ein breites Grinsen zwischen die Ohrläppchen. Alleine der Soundtrack lässt sofort Gefühle nach längst vergangenen Zeiten und „früher war alles besser“ aufkommen. Aber war da wirklich alles besser? Ich erinnere mich, dass das SNES-Joypad regelmäßig durch das Zimmer flog, glücklicherweise durch das Kabel in seiner Flugbahn äußerst eingeschränkt. Denn Donkey Kong Country war schwer … und ich meine schwer … bockschwer … barbarisch schwer! Veteranen werden sich weinend daran erinnern. Und so einen Titel lässt Nintendo nun auf Speicherpunkt-verwöhnte Casual-Gamer los?  Wenn das mal gut geht?

Um es kurz zu machen, es geht gut! Es geht sogar noch viel besser, wenn man eine gewisse Jump`n`Run-Erfahrung mitbringt. Denn was Nintendo und die Retro Studios hier abliefern, ist eine Liebeserklärung an das klassische und immer wieder totgesagte 2D-Jump`n`Run, eine Verbeugung vor von rechts nach links scrollenden Hintergründen. Dabei ist die Handlung von Donkey Kong Country Returns so bekannt und nebensächlich, wie schnell erzählt. Kleine Bösewichter des Stammes der Tiki Tak machen sich per Hypnose die Tierwelt auf der Donkey Kong Insel Untertan und klauen dem Primaten seine Bananen. Klar, dass dieser das nicht ungestraft durchgehen lässt und seine gebogenen Südfrüchte um jeden Preis zurück haben will.

So schnappt man sich als Spieler die Wiimote, wahlweise mit oder ohne Nunchuk und rennt, klettert, rollt und hüpft sich von Level zu Level, bis am Ende des Abschnitts der obligatorische Bossgegner wartet. Moment mal und was ist mit dem Classic Controller? Auf dessen Unterstützung hat man, warum auch immer, komplett verzichtet, aber auch so steuern sich die beiden Affen pixelgenau. Allerdings ist hier der Begriff pixelgenau nicht nur ein positives Attribut für die Steuerung, er ist hier auch wörtlich zu nehmen. Denn Donkey Kong Country Returns ist ein Jump`n`Run alter Schule einer längst vergangenen Ära, einer Zeit als Videospiele nur etwas für echte Kerle waren und nur die Härtesten ohne ständiges Zwischenspeichern und Super-Assistenten überlebt haben.

Bereits im zweiten Level der Dschungel-Stage wird euch einiges an Hand-Auge-Koordination abverlangt, den Absprung Richtung Wand oder Plattform den Bruchteil einer Sekunde zu früh oder zu spät angesetzt heißt unwiderruflich, ein Affenherz hört auf zu schlagen. Springt ihr im ersten Level noch locker auf flügellahme Geier und weicht fallenden Säulen aus, müsst ihr hier bereits an Decken hangeln und von Wand zu sich drehenden Rad springen. Dabei ist dieser Level tatsächlich nur der Muskel-erwärmende Türöffner in die wunderbar schwere Welt von Donkey Kong Country Returns. Denn egal wie phantastisch die beiden Affen und deren Gegner auch animiert sind, welch Hingucker die bildschönen Hintergründe auch sein mögen, das Spiel ist auch im Jahr 2010 ein immens dickes Brett, das nur frusterprobte Profis mit Nerven wie Drahtseilen gebohrt bekommen. Anfängern sollte trotz Hilfen wie Extra-Leben im 7er-Pack oder unverwundbar machenden Bananensaft eine reichlich hohe Toleranzschwelle zu Eigen sein. Und wer so gar nicht weiterkommt und auch am Bildschirm dafür sorgt, dass Gorillas vom Aussterben bedroht sind, dem hilft auch hier der Super-Assistent. Einfach beim Speicher-Schwein die „+“ Taste gedrückt und ein weißer, systemgesteuerter Donkey Kong erledigt für den Spieler die Stellen, an denen dieser nicht weiterkommt.

Abgesehen von mehr oder weniger erlaubten Hilfestellungen haben wir nicht mehr 1994, sondern sind schon einige Konsolen-Generationen weiter. Und so wurde natürlich auch Donkey Kong Country Returns grafisch angepasst und mächtig aufgehübscht. Neben den wunderschön animierten Primaten ist gerade das Level-Design mit den ständig scrollenden Hintergründen eine wahre Augenweide. Acht verschiedene Welten wie Dschungel, Strand, Ruinen, Höhlen, Wälder, Klippen, Fabriken und Vulkane sorgen für immer neue Herausforderungen. Dabei schwankt der Schwierigkeitsgrad aber auch innerhalb der Welten. Manche Level sind relativ flott durchgespielt, in anderen war ich froh, dass die Wiimote über eine Handschlaufe verfügt und so flugunfähig ist.

Aber trotz des teilweise höllischen Schwierigkeitsgrades bleibt Donkey Kong Country Returns immer fair. Es gibt so gut wie keine Stelle, die nicht mit viel Übung, Lernen und unter Einsatz reichlicher virtueller Affenleben irgendwann zu meistern wäre. Damit auch weniger versierte Spieler hier nicht völlig chancenlos sind, steht euch Diddy mehr oder weniger hilfreich zur Seite. Findet ihr ein entsprechendes Fass, springt euch euer kleiner Helfer samt Jetpack auf den Rücken. So verdoppelt sich nicht nur die Anzahl der Herzen, sondern mit Hilfe des Düsenrucksacks sind auch höher und weiter entlegene Plattformen ein kleineres Hindernis. Leider lässt sich Diddy aber nicht wie in den SNES-Titeln alleine steuern. Dort konnte per Knopfdruck der gerade zur Situation passende Affe ausgewählt werden.

Nur mit Diddys Jetpack findet ihr die in jedem Level versteckten Ballons für Extraleben, Puzzleteile, Bananen, von denen 100 Stück ebenfalls ein weiteres Leben ergeben, vier Buchstaben, die zusammengesetzt, das Wort K-O-N-G ergeben, sowie Münzen, die ihr in Cranky Kongs Laden gegen hilfreiche Extras tauschen dürft. Seit Jahren scheinbar nicht gealtert, lässt dieser wie gewohnt und ungefragt seine Lebensweisheiten auf euch niederprasseln, wenn ihr Münzen gegen Items oder einen Schlüssel für einen weiteren Level tauscht.

Während Mario im Laufe der Jahre neue Kostüme für neue Fähigkeiten geschneidert bekam, ist Donkey Kong Country Returns in dieser Hinsicht nahezu unverändert. Ja, die Affen bekamen einige neue Fähigkeiten, so benutzt Diddy im Zweispieler-Modus eine Erdnuss-Kanone, oder Donkey kann durch das Schütteln der Wiimote auf den Boden klopfen oder pusten, aber das war es schon. Das tut dem Spiel aber keinen Abbruch, im Gegenteil. Spätestens bei der ersten Fahrt mit der Lore oder dem Schuss von einem Fass in das nächste ist der Donkey Kong Profi wieder in seinem Element. Ist die Lorenfahrt aber eher eine Verbeugung vor vergangenen Zeiten und gleicht in der entschärften Form von 2010 mehr einem Familien-Ausflug, so sind es gerade wieder die Level mit den Fasskanonen, die für Adrenalin-Ausschüttung sorgen. Werden diese Kanonen in den ersten beiden Welten noch spärlich eingesetzt, um beispielsweise einen geheimen Level zu erreichen, so sind die Fässer in den Ruinen das Maß aller Dinge. Pixelgenaue Abschüsse sind notwendig, um das Ende eines Levels oder versteckte Items zu erreichen. Alleine das Erreichen der drei sich im Hintergrund drehenden Affenschädel und das punktgenaue Platzieren der beiden Helden in deren offenen Mündern lässt Veteranen-Herzen höher schlagen.

Und gerade bei diesen Passagen, in denen die Hintergründe perfekt in das Spiel integriert werden, stellt sich eine Frage: Ist Donkey Kong nun ein 2D oder ein 3D Jump`n`Run? Ich denke, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Neben den oben erwähnten Affenschädeln, regelmäßig aus dem Hintergrund in den Weg fallenden Säulen oder einigen aus Mario bekannten Plattform-Einlagen fand ich persönlich den Kraken aus einem der Strand-Level imposant. Dieser schaut nicht nur grimmig und schwimmt dekorativ im Hintergrund herum, sondern setzt seine Arme im Vordergrund als Hindernisse ein, um euch das Affenleben auszuhauchen. Weiterhin brechen sich in einem anderen Level riesige Monsterwellen am Strand und spülen alles fort, was nicht bei drei hinter einem Stein versteckt ist. Hier wurde ein altes Spiel mit neuen Effekten perfekt in die Gegenwart gehoben.

Und apropos Gegenwart: Gab es in Donkey Kong Country von 1994 nur alle paar Level einen Speicherpunkt, so speichert das Spiel hier automatisch nach jedem Level. Und damit man 2010 auch dem Wiimote schüttelnden Casual-Gamer gerecht wird, gibt es innerhalb der Level mindestens einen Punkt, an dem bei einem Schweinchen mit Brille ebenfalls zwischengespeichert wird. So müssen weniger versierte Spieler bei einem Ableben nicht jeden Level von vorne beginnen.

Wer in Donkey Kong Country Returns auf den Einsatz der Helfer aus dem SNES-Titel wartet, muss Zeit mitbringen, denn bis auf das Nashorn Rambi haben es Winky der Frosch, Expresso der Strauß und Enguarde der Schwertfisch nicht in das Spiel geschafft. Und das ist das einzige, was ich dem Titel bzw. dem Entwickler Retro Studios vorhalten kann, wenn ich denn nun verzweifelt einen Punkt zum Nörgeln suche.

Fazit:

Donkey Kong Country Returns ist für mich DER Jump`n`Run Titel der letzten Jahre. Ich gestehe, die beiden Affen seit ihrem Erscheinen auf dem Super NES immer mehr gemocht und häufiger gespielt zu haben als Mario. Für Titel wie diesen ist die Wii prädestiniert. Es gibt weder auf XBOX noch auf PS3 etwas Vergleichbares, da können Arcade-Titel im Stundentakt von damals nach heute portiert werden.

Und endlich besinnt sich Nintendo wieder der Spieler, die das Unternehmen zu dem gemacht haben, was es heute präsentiert … älteren Zockern wie mich, die seit Jahren so gut wie jede Nintendo-Konsole besitzen und die wie ich selbstverständlich neben allem Next-Gen auch noch ihr Super-NES am riesigen Flachbildschirm angeschlossen haben, um in 4:3 grobpixelige Spiele wie Donkey Kong Country zu genießen.  Donkey Kong Country Returns ist ein buntes, grafisches Feuerwerk und es ist schwer. So schwer, dass Anfänger sich die Haare raufen und Profis in seligen Erinnerungen schwelgen. Fasskanonen müssen in Bruchteilen von Sekunden abgeschossen werden und Sprünge müssen pixelgenau passen. Sammelfetischisten kommen voll auf ihre Kosten, denn jeder Level ist es wert, ihn erneut zu spielen, um auch ja das letzte Puzzleteil und den letzten verdammten Buchstaben zu bekommen.